News, 16.09.2005
Perspektive Mittelstand
Bildung und Beruf
Franchisesysteme jetzt auch in der Weiterbildung
Franchisesysteme und Lizenzmodelle für Trainer sind im deutschsprachigen Markt immer häufiger zu beobachten.
Eine aktuelle Analyse des Bildungsmarktes hat etwa 50 aktive Systeme identifiziert. Professor Dr. Michael Bernecker, Chef des Deutschen Instituts für Marketing (DIM) in Köln, gibt »wirtschaft & weiterbildung«-Lesern einen Überblick über die Bedeutung des Franchising für Managementtrainer.

Franchisemodelle oder Lizenzen basieren auf der Idee, dass zwei Vertragspartner gemeinsam den Markt bearbeiten. Es gibt zum Beispiel einen Lizenzgeber, der ein Seminar oder Workshop so weit entwickelt hat, dass es auch von anderen Trainern erfolgreich vermarktet werden kann. Der Lizenznehmer ist dann ein Trainer, der dieses Seminar bei seiner Kundschaft verkauft und umsetzt. Damit liegt eine klassische Arbeitsteilung vor. Der Lizenzgeber hat die Struktur, das Produkt und die Vermarktungsins­trumente entwickelt und der Lizenznehmer wendet diese an. Wenn es sich um ein sinnvolles Konzept handelt, dann werden auch beide wirtschaftlichen Erfolg haben. und man kann von einer echten WIN-WIN-Situation sprechen.

Lizenz oder Franchising

Man kann üblicherweise im Bildungsbereich Lizenz- und Franchisesysteme voneinander unterscheiden. Lizenzsysteme erlauben dem Lizenznehmer die Marke und das Know-how des Lizenzgebers zu nutzen. Im Weiterbildungsbereich hat ein Trainer zum Beispiel ein Seminar entwickelt und der Lizenznehmer darf nun dieses Seminar mit den damit verbundenen Unterlagen verwenden. Hat der Lizenzgeber zum Beispiel auch noch einen Markennamen für sein Seminar eingetragen, dann darf der Lizenznehmer diesen Markennamen auch verwenden. Ein Franchisesystem geht über eine einfache Lizenz deutlich hinaus. In diesem Fall bietet der Lizenzgeber dem Lizenznehmer ein vollständiges Geschäftsmodell. Der Franchisegeber bietet neben den Kernleistungen (wie dem Seminarkonzept) zusätzlich Marketing- und Betreuungsleistungen an und entwickelt das System mit Hilfe der Unterstützung der Franchisenehmer kontinuierlich weiter.

Im Bildungsbereich existieren mitt­lerweile über 50 Systeme, deren Leistungsumfang und damit auch Erfolgspotenzial allerdings sehr stark streuen. Dabei reicht die Spanne von sehr gut strukturierten und erfolgreichen Systemen bis hin zu Systemen, die dem Franchisegeber ein hohes Einkommen garantieren und den Franchisenehmer mit großer Wahrscheinlichkeit in den Ruin führen. Um beurteilen zu können, welches System für einen Franchisenehmer hilfreich sein könnte, sollte man sich die Leistungen des Franchisegebers, die geforderte finanzielle Gegenleistung und die geforderten Einstiegsbedingungen näher anschauen.

Die Leistungen des Franchisegebers

Die Leistungen des Franchisegebers können in Leistungen während der Startphase und Leistungen während des laufenden Betriebes unterschieden werden. Die Leistungen der Startphase sollen dem Franchisenehmer den Einstieg in den Markt ermöglichen und erleichtern. An dieser Stelle können die Vorteile eines guten Franchisesystems am einfachsten identifiziert werden. Der Lizenzgeber bietet Leistungen wie zum Beispiel gut ausgearbeitete und erprobte Seminare, umfangreiche Train-the-Trainer-Schulungen, eine komplette Geschäftspapierausstattung (Briefbogen, Visitenkarten…), einen Internetauftritt, Werbematerialien für die Ansprache potenzieller Kunden und ein umfangreiches Systemhandbuch, in dem alle wesentlichen Arbeitsschritte für die Standardprozesse der Geschäftstätigkeit beschrieben sind. Alle diese Leistungen könnte sich ein Existenzgründer natürlich auch selber erstellen. Dies dauert aber einige Zeit und wird in der Regel auch nicht so professionell erfolgen wie bei einem erprobten System. Aktuelle Studien zeigen, dass das Insolvenzrisiko bei Franchisenehmern aus diesem Grund geringer als bei anderen Gründern ist.

Im laufenden Betrieb entwickelt ein seriöser Lizenzgeber seine Leistungen kontinuierlich weiter und passt sie den veränderten Marktgegebenheiten an. Üblicherweise pflegen die Systeme auch zentralseitig die Marke sowie den gesamten Auftritt des Systems und steigern damit den Bekanntheitsgrad. Größere Systeme haben zusätzlich einen Franchisenehmerbeirat, der sicherstellt, dass auch die Erfahrungen aus dem Markt heraus in das System einfließen.

Die Gegenleistung des Franchisenehmers

Ein Trainer, der eine Lizenz erwirbt, hat in der Regel zwei Arten von Gegenleistungen zu erbringen: eine finanzielle und eine sachliche. Er muss das Konzept des Lizenzgebers umsetzen und für die Nutzung des Konzeptes Zahlungen leisten. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für ein gutes Franchisesystem ist der Franchisenehmer selber. Nur wenn er das System auch ordentlich umsetzt, wird das Gesamtsystem funktionieren. Kundenakquise und die qualitativ anspruchsvolle Umsetzung der Kernleistungen sorgen dafür, dass der Franchisenehmer auch Umsätze generiert, die sein Überleben sichern und die zentralen Kosten des Systems abdecken. Zu den konkreten Gegenleistungen gehören zusätzlich einige Berichtspflichten, wie zum Beispiel die Durchführung von kontinuierlichen Kundenzufriedenheitsbefragungen, die Zulassung von Hospitationen durch den Systemgeber und die Einsichtmöglichkeit in die Bücher, Rechnungen und die Bilanz des Franchisenehmers.

Die Gebühren

Es sollte nachvollziehbar sein, dass der Lizenzgeber für sein Know-how auch eine finanzielle Gegenleistung erhält. Dabei gibt es eine einfache Regel: Je mehr Leistungen ein System umfasst, umso höher auch die finanzielle Gegenleistung, die der Franchisenehmer zu erbringen hat. In der Regel gibt es:

1. Einmalige Einstiegsgebühr:

Mit dem Abschluss des Franchisevertrages kann eine Einstiegsgebühr fällig werden, die der Franchisenehmer an den Franchisegeber zu zahlen hat. Dieser Betrag ist stark vom Leistungsumfang des Systems abhängig und schwankt bei den aktuell im deutschsprachigen Raum vertretenen Systemen zwischen 2.000 und 20.000 Euro.

2. Einmalige Anfangsinvestitionen:

Auch im Bildungsmarkt sind einige Anfangsinvestitionen notwendig, um sein Geschäft zu betreiben. Dazu gehören zum Beispiel die Büromiete (Arbeitszimmer, Telefon, Computer, Fax..), Kosten für eine Geschäftspapierausstattung (Visitenkarten, Briefpapier…) und andere weitere Positionen, die bei einer Existenzgründung immer anfallen. Diese Anfangsinvestitionen werden nicht an den Franchisenehmer gezahlt, sondern stellen eine klassische Startinvestition dar, ohne die eine sinnvolle, nachhaltige Existenz nicht betrieben werden kann. Die Lizenzanbieter in Deutschland empfehlen hier Beträge zwischen 0 und 30.000 Euro.

3. Laufende Gebühren:

Alle Lizenz- und Franchisesysteme erheben für die Nutzung des Know-hows und die laufende Betreuung eine laufende Gebühr. Diese Gebühren können als Prozentsatz erhoben werden und liegen bei den aktuellen Systemen dann zwischen 7 und 12 Prozent vom Nettoumsatz. Einige Anbieter verlangen eine monatliche Gebühr, die unabhängig vom Umsatz ist und dann zwischen 50 und 1.200 Euro liegt, oder durch den verpflichtenden Kauf von Trainingsunterlagen abgedeckt wird.

Eignen sich Franchising und Lizenzen eigentlich für jeden Trainer? Diese Frage kann nicht eindeutig beantwortet werden. Es lassen sich jedoch zwei Situationen unterscheiden: Für Berufseinsteiger können etablierte Franchise- oder Lizenzsysteme sehr sinnvoll sein, da diese bereits erprobt sind und über einen hohen Bekanntheitsgrad verfügen. Er sollte zugleich ein eher umfangreicheres System wählen, welches zwar in der Regel höhere Kosten verursacht, aber auch dafür mehr Leistungen anbietet, die der Berufseinsteiger am Anfang seiner Karrie­re selber nicht erstellen kann. Die Marketingleistungen, die der Franchisenehmer erhält, helfen ihm, deutlich leichter in den Markt zu kommen als bei einem Eigenversuch.

Etablierte Trainer sind vielleicht mit einem einfachen Lizenzmodell besser bedient. In der Regel haben diese Trainer ihre Grundauslastung mit Leistungen, die sie bereits selber erstellt haben. Auch ein Marktzugang zu Kunden existiert bereits. Eine einfache Lizenz für ein zusätzliches Seminar versetzt den Trainer in die Lage, zusätzlichen Umsatz zu generieren, indem die Leistungen des Lizenzgebers in den bestehenden Kundestamm hineinverkauft werden.

Eckpunkte


Die Auswahl eines Franchisegebers - Tipps: So identifizieren Sie ein passendes System:

::: Lassen Sie sich Informationsmaterial zusenden!

::: Vereinbaren Sie einen Termin beim Franchisegeber!

::: Halten Sie Rücksprache mit anderen Lizenznehmern des Systems!

::: Überprüfen Sie eine Beispielbilanz eines Franchisenehmers!

::: Lassen Sie sich einen beispielhaften Businessplan zeigen!

::: Überprüfen Sie für sich selber, ob Sie die Spielregeln des Systems auch wirklich befolgen wollen!

::: Versuchen Sie, mit Kunden der Franchisenehmer zu sprechen! Waren diese mit den Leistungen zufrieden?

::: Besprechen Sie mit einer neutralen Person das Geschäftskonzept. Überzeugt es auch Ihre Familienangehörigen?

::: Welche konkreten Leistungen werden geboten und welche Gegenleistungen müssen Sie bringen?
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