Pressemitteilung, 02.03.2016 - 14:18 Uhr
Perspektive Mittelstand
Ergotherapeuten stabilisieren Menschen mit Trauma – auch Flüchtlinge aus Kriegsgebieten
Eine der brisantesten Fragen des aktuellen Zeitgeschehens ist mit Sicherheit, wie die Integration der voraussichtlich in Deutschland bleibenden Kriegsflüchtlinge gelingen kann.
(PM) Karlsbad, 02.03.2016 - Neben einer Vielzahl faktischer Überlegungen ist der psychische Zustand dieser Menschen ein entscheidender Aspekt. „Sie alle haben Grausamkeiten erlebt oder gesehen, mussten Geschehnisse aushalten, die man sich gar nicht vorstellen kann und will.“, wissen Polina Hilsenbeck und Anke Schreiner, Ergotherapeutin im DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.). In der Ergotherapie lernen Menschen, die unter den Folgen eines Traumas leiden, stabilisierende Strategien. Auch trainieren sie dort, im Alltag wieder handlungsfähig zu werden.Ist jeder, der ein traumatisches Ereignis erlebt hat, danach krank? „Nein.“, antwortet die Ergotherapeutin Anke Schreiner „Viele haben eigene Bewältigungsstrategien. Manche können darüber reden, was ihnen passiert ist, andere haben eigene hohe seelische Widerstandskräfte oder bestimmte Methoden, sich zu stabilisieren. Man denke nur an die Kriegsgeneration hier in Deutschland. Viele haben am Wirtschaftswunder mitgewirkt. Aber es gab auch damals – und das gibt es immer – Menschen, die sich von traumatischen Ereignissen nicht erholen.“ Neurophysiologisch bedeutet das, dass ihr Gehirn in der Anspannung bleibt, die während der traumatisierenden Ereignisse stattgefunden hat. Selbst dann, wenn sie vermeintlich in Sicherheit sind.Folgen eines Traumas zeigen sich äußerst verschiedenDoch genau das, in Sicherheit zu sein, löst die Traumafolgeerscheinungen aus; diese werden meist nicht innerhalb der ersten Wochen sichtbar. Erst, wenn die Menschen nun nicht mehr im Überlebensmodus sind, können sie – so, wie das aktuell am Beispiel der Kriegsflüchtlinge zu beobachten ist – die unsäglichen Umstände in denen sie sich befinden nicht mehr aushalten. Sie ertragen die ständige Überreizung in den Massenunterkünften nicht mehr, die einen fangen an zu weinen, andere liegen schwer depressiv auf dem Bett und wieder andere randalieren, viele können nachts nicht schlafen, haben Flashbacks. So unterschiedlich sind die Reaktionen auf die zurückliegenden, immens belastenden Lebensereignisse, die diese Menschen im Krieg und danach durchgestanden haben. Wer dann wegen seiner massiven Beeinträchtigungen auffällig wird, bekommt beispielsweise Ergotherapie. „Je früher wir helfen, desto weniger chronifiziert sind auch die Auswirkungen, umso eher treten Erfolge ein, umso kürzer kann die Therapie sein.“, erläutert Polina Hilsenbeck, was dem gesunden Menschenverstand einleuchtet. Sie fährt fort: „Wir wünschen uns, dass alle diejenigen, die mit belasteten Menschen zu tun haben, wie es beispielsweise derzeit die Kriegsflüchtlinge sind, sehr genau schauen.“ Denn wenn einer der Flüchtlinge eine Lernblockade zeigt, muss er nicht zwangsläufig weniger schlau sein als andere. Das kann andere Ursache haben. Ebenso wie sonstige Auffälligkeiten, denen oft ein Trauma zugrunde liegt. „Die Chancen, Traumafolgestörungen mit Ergotherapie zu beheben, sind ausgesprochen gut.“, betont die Ergotherapeutin Schreiner.Ergotherapeutisches Stabilitätstraining für traumatisierte MenschenAus ihrer Praxis schildert die Ergotherapeutin, wie sie bei traumatisierten Personen Ergotherapie je nach Situation wechselnd in der Gruppe und als Einzeltherapie einsetzt. „In der Einzeltherapie finden wir heraus, welche Stabilisierungsmethoden am besten passen, denn zunächst sind die wenigsten gruppenfähig, wegen der Anspannung, in der sich ihr Gehirn noch durch die Traumatisierung befindet.“, erklärt sie. Danach wird in der Gruppe trainiert: Zum Beispiel auszuhalten, dass nicht jeder so sitzt, dass er die Tür im Blick hat, oder zu kompensieren, dass er gerade von Emotionen überrollt wird, die ihn in eine Ohnmachtsstarre führen und handlungsunfähig machen. Um sich zu beruhigen und wieder in die Konzentration zu kommen, wenden die Patienten dann die in der Einzeltherapie erlernte Stabilisierungsmaßnahme an. Das hört sich einfach an, ist aber ein langwieriger Prozess, bedarf immer wieder wechselnder Einzel- und Gruppentermine, bis das Gehirn irgendwann auf Stabilität gepolt ist und die Menschen mit den Folgen des Erlebten umgehen können. Und bereit sind, an die Aufarbeitung, die Exploration ihres Traumas zu gehen. „Es ist im Interesse der Gesellschaft, traumatisierten Menschen zu helfen. Nur so gelingt es, dass sie ihren Alltag bewältigen, regelmäßig ihrer Ausbildung, ihrem Beruf nachgehen. Oder die Familie versorgen, oder, oder. Und das soll unabhängig von ihrer Herkunft sein. Denn das ist gelebte Integration und Demokratie.“, so das Fazit der engagierten Therapeutin Hilsenbeck. Informationsmaterial zur Ergotherapie erhalten Interessierte bei den Ergotherapeuten vor Ort; diese sind über die Therapeutensuche im Navigationspunkt „Service“ des DVE (Deutscher Verband der Ergotherapeuten e.V.) auf www.dve.info zu finden. Zur Kampagne der Ergotherapie geht es hier entlang: www.volle-kraft-im-leben.de


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ÜBER DVE DEUTSCHER VERBAND DER ERGOTHERAPEUTEN E.V.

Der Deutsche Verband der Ergotherapeuten e.V. (DVE) ist seit seiner Gründung im Jahre 1954 der maßgebliche Berufsverband aller Ergotherapeutinnen und Ergotherapeuten in Deutschland. Zu seinen mehr als 12.000 Mitgliedern zählen in erster Linie Ergotherapeuten und Ergotherapeutinnen mit eigener Praxis, in der Klinik, im Angestelltenverhältnis ebenso wie in Ausbildung befindliche künftige Berufsausübende. Als Berufsverband vertritt der DVE seine Mitglieder bei Politik, Behörden, Ministerien, Krankenkassen und anderen Partnern des Gesundheitswesens und trägt somit entscheidend zu Sicherung und Weiterentwicklung des Berufsstandes bei. Die Einsatzbereiche und Therapiemethoden der Ergotherapie sind vielfältig. Durch die Betrachtung sowohl des erkrankten Menschen als auch seines Umfelds hebt sich die Ergotherapie deutlich von Behandlungsmethoden ab, die vorwiegend oder ausschließlich mechanische und/ oder körperliche Aspekte berücksichtigen. Über seine Tätigkeit in Deutschland hinaus ist der DVE Mitglied im europäischen Verband (COTEC) und im Weltverband (WFOT).