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Fachartikel, 05.03.2013
Elektronische Beschaffung
B2B-Einkauf per E-Auktion
Online-bzw. E-Auktionen gewinnen bei Unternehmen im Einkauf immer stärker an Bedeutung. Welche Vorteile der Einkauf über Online-Auktionen für Unternehmen bietet und was hierbei zu beachten gilt.
Auktionen wurden im Internet erstmals 1993 über textbasierte Newsgroups durchgeführt. Seitdem erfreuen sie sich wachsender Beliebtheit. Studien zeigen: Bereits circa 50 Prozent der Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit einem Beschaffungsvolumen von über 100 Millionen Euro/Jahr nutzen E-Auktionen als Beschaffungsinstrument. Sie wickeln im Schnitt fast 20 Prozent ihres Volumens über E-Auktionen ab. Tendenz steigend! Einige Unternehmen schreiben bereits über 30 Prozent ihres kompletten Beschaffungsvolumens über Auktionen aus, und die Zahl der Auktionen steigt jährlich um zehn bis 15 Prozent. Dabei gilt jedoch festzuhalten: Der Beschaffungsprozess als reine Auktion ohne Interaktion mit den Lieferanten kommt heute noch selten vor. Realitätskonformer ist es deshalb, von auktionsintegrierten Beschaffungsprozessen zu sprechen. Denn zumeist wird in den Auktionen ausschließlich der Preis bestimmt.

Die verschiedenen Auktionsformen

Bei der englischen Auktion (auch mündliche, offene oder „Descending-bid-Auktion“ genannt) werden die Gebote der Lieferanten von einem relativ hohen Startpreis ausgehend sukzessiv gesenkt, bis nur noch das Gebot eines Lieferanten übrig bleibt. Dieser erhält den Zuschlag mit einem Preis in der Höhe seines letzten Gebots. Die englische Auktion ist sehr transparent, denn jeder Lieferant kennt ohne zu wissen, welche Lieferanten mitbieten, jederzeit die Gebote der Wettbewerber und kann sein Gebot entsprechend anpassen.

Die holländische Auktion („Ascending-bid-Auktion“) beginnt mit einem sehr niedrigen Startpreis. Der Auktionator erhöht diesen Preis sukzessiv, bis ein Lieferant das Angebot akzeptiert. Er erhält den Zuschlag mit einem Preis in der Höhe seines Gebots. Eine Abwandlung der englischen und holländischen Auktion sind sogenannte „Descending Clock-“ oder „Ascending Clock-Auktionen“. Das Prinzip ist ähnlich wie das der englischen und holländischen Auktion. Allerdings wird der Preis in definierten Zeitabständen um eine bestimmte Summe geändert. Der Auktionator gibt den Startpreis bekannt. Die Lieferanten können ihn entweder akzeptieren oder ablehnen und somit aus der Auktion ausscheiden. Bei der „Descending Clock-Auktion“ wird der Preis in kleinen Schritten verringert, bei der „Ascending Clock-Auktion“ erhöht. Sobald kein Gebot mehr eingeht, wird der Zuschlag vergeben.

Darüber hinaus gibt es die verdeckte Erstpreisauktion („first-price sealed-bid auction“). Für sie werden einmalig verdeckte Angebote abgegeben, und der Lieferant mit dem niedrigsten Gebot erhält den Zuschlag. Die Angebote der Wettbewerber sind dabei nicht bekannt. Eine Spielart dieser Auktion ist die verdeckte Zweitpreisauktion („secondprice-sealed-bid auction“), die nach dem gleichen Schema verfährt. Der Lieferant, der den Zuschlag erhält, erhält jedoch einen Preis in Höhe des zweitniedrigsten Gebots. Dieser Mechanismus ist im Vorfeld bekannt. Entwickelt wurde diese Auktionsform von William Vickrey, dem Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften 1996. Deshalb wird sie auch „Vickrey-Auktion“ genannt.

Seit einigen Jahren gewinnen gewichtete oder multiattributive Auktionen an Bedeutung. Dabei werden nichtpreisliche Faktoren wie Versorgungssicherheit und Qualität mit einer Punktzahl bewertet. Diese Punktzahl wird vom Gebotspreis des Lieferanten abgezogen, um einen Vergleichswert zu erzeugen. So errechnet der Auktionator den relativen Wert der einzelnen Gebote unter Berücksichtigung des Preises und nichtpreislicher Faktoren. Während einer gewichteten Auktion dürfen Bieter die nichtpreislichen Elemente ihres Angebots nicht ändern. Bei einer multiattributiven Auktion hingegen können sie diese Elemente bei Bedarf anpassen – beispielsweise durch eine Verkürzung der Lieferzeit – um ihre Gesamtbewertung zu verbessern.

Die Vor- und Nachteile von (Online-)Auktionen

E-Auktionen haben eine Reihe von Vorteilen. Aufgrund des starken Konkurrenz- und Preisdrucks sind über E-Auktionen hohe Kosteneinsparungen beim Einkauf von Materialien und Dienstleistungen zu erzielen. Zudem kann die Produktivität des Einkaufs gesteigert werden, da mehr Aufträge  intensiv verhandelt werden können. Ausgereifte Spezifikationen sind für die erfolgreiche Teilnahme an E-Auktionen ausschlaggebend. Sie erfordern eine entsprechend gute Strukturierung der Beschaffungsprozesse. Die qualitativ und zeitlich optimierten Prozesse senken wiederum die indirekten Beschaffungskosten (Prozesskosten).

Ein weiterer Vorteil von E-Auktionen im Vergleich zu klassischen Verhandlungen ist ihre Transparenz. Die Wettbewerbssituation ist glaubhaft und realitätsnah abgebildet und zahlreiche Lieferanten nehmen am Onlineverfahren teil. Die traditionellen Vertrauensbeziehungen werden in E-Auktionen durch faktenbasierte Beziehungen ersetzt. In traditionellen Beschaffungsprozessen mussten beide Seiten bis zu einem gewissen Grad schlicht auf die Richtigkeit der Aussagen des Geschäftspartners vertrauen. E-Auktionen hingegen erlauben beiden Seiten gleichermaßen Einblicke in die Marktsituation und tragen zur Dynamisierung von Verhandlungen sowie einem intensiven Preiswettbewerb bei.

Über Online-Auktionen werden Preisverhandlungen außerdem entpersonalisiert. Das erleichtert internationale Verhandlungen, da kulturelle Unterschiede nicht mehr signifikant zum Tragen kommen. Zudem sind E-Auktionen effektiv. Aufgrund der automatisierten Prozesse werden bei der Mehrzahl der Vertragsabschlüsse Konditionen erreicht, die auf traditionellem Weg einen weit höheren Aufwand seitens der Einkäufer erfordert hätten.

Den zahlreichen Vorteilen von E-Auktionen stehen Nachteile gegenüber, die Nutzer zumindest in Erwägung ziehen sollten. Den bereits erwähnten Kosteneinsparungen stehen beispielsweise zusätzliche Kosten, etwa für Lizenz- oder Providerentgelte für den E-Auktionssoftware-Dienstleister, gegenüber. Die Entwicklung der Spezifikationen, vor allem der nichtpreislichen, bedarf erhöhter Konzentration und Aufmerksamkeit, denn nur detailgenaue und vergleichbare Angaben gewährleisten eine gemeinsame Bezugsbasis für die Lieferanten.

E-Auktionen lassen zudem keine Zeit für technische oder kaufmännische Berechnungen, und Anpassungen nach der Angebotsabgabe sind in der Regel nicht möglich (außer in der multiattributiven Auktion). Deshalb sind im Vorfeld die Bedingungen und Konditionen festzulegen und zu kommunizieren. Die Befürchtung hingegen, die Teilnahme an E-Auktionen könne strategische Lieferantenbeziehungen schädigen, ist zu vernachlässigen, denn sie werden selten über E-Auktionen abgewickelt. Materialien und Dienstleistungen, die Gegenstand strategischer Partnerschaften sind, bedürfen nach wie vor der persönlichen und kreativen Zusammenarbeit der Geschäftspartner, um eine Win-Win Situation für beide Parteien zu erreichen.

Die gewünschte Bietdynamik sicherstellen

Eine E-Auktion wird üblicherweise als ein Prozess mit drei charakteristischen Phasen betrachtet: die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung. In ihnen steht der Auktionator vor unterschiedlichen Aufgaben. Die entscheidende Phase ist die Vorbereitung der Auktion. Hier stellt der Auktionator die Weichen für (Miss-)Erfolg seiner E-Auktion, denn während der Auktion sind seine Handlungsspielräume extrem eingeschränkt.

Zunächst sollte der Anbieter die Wettbewerbsintensität unter den Lieferanten analysieren. Besteht viel Wettbewerb, so fördert das die Bietdynamik der Auktion. Die Wettbewerbssituation kann entweder ein „natürliches“ Marktcharakteristikum sein oder/und durch die Auktion gefördert werden. Zum Beispiel durch deren Transparenzgrad. Sind die absoluten Gebote nicht sichtbar, wie in Rangauktionen, bei denen die Lieferanten nicht die Preise der Wettbewerber sehen, sondern nur auf welchem Platz (zum Beispiel drittbestes Angebot) sie mit ihrem aktuellen Gebot liegen. Rangauktionen fördern erfahrungsgemäß die Bietdynamik. Auch das Volumen des Vergabepakets spornt Bieter an. Erfolgreiche Auktionen im B-to-B-Bereich weisen häufig Volumina von einer Million Euro und mehr auf. Gut motiviert sind in der Regel die Lieferanten, die den Käufer für sich gewinnen oder als Kunden binden möchten. Sie werfen sich besonders ins Zeug, um den Zuschlag zu bekommen.

Ungeachtet der Wettbewerbssituation sind manche Produkte und Dienstleistungen allerdings prinzipiell nicht für den Auktionshandel geeignet. Das sind zum einen solche, die auf anderen Plattformen wie Warenbörsen in großem Umfang gehandelt werden. Eine E-Auktion würde in diesem Fall keine zusätzliche Dynamik erzeugen. Zum anderen sind das die Produkte und Dienstleistungen, die strategische Bedeutung für den Käufer haben. Hier ist ein zweiter und dritter Blick auf Qualität und Konditionen nötig. In diesem Fall gerät jede noch so ausgeklügelte E-Auktion an ihre Grenzen. Auf das Handeln solcher Produkte und Dienstleistungen sollten kluge E-Auktionatoren deshalb verzichten.

Die erforderlichen Rahmenbedingungen schaffen

Der Auktionator hat in der Vorbereitungsphase noch weitere Aufgaben. Unter anderem sind eindeutige und umfassende Spezifikationen nötig. Die Lieferanten müssen wissen, worauf sie bieten, und die Käufer, was sie bekommen. Ausgangspunkt sind Mindestniveaus, auch Satisfizierungskriterien oder Mussziele genannt. Sie sind die Eintrittshürde zur E-Auktion. Nur wer sie erfüllt, wird zur Teilnahme zugelassen. Hat ein Lieferant diese Hürde genommen, entscheiden nur noch der Preis, das sogenannte Optimierungskriterium oder das Maximalziel (wie zum Beispiel eine Kombination aus Preis- und Qualitätsansprüchen) über den Zuschlag. Kompensationen zwischen diesen Kriterien, beispielsweise bessere Qualität für einen höheren Preis, werden in „traditionellen“ E-Auktionen nicht zugelassen.

E-Auktionen neueren Typs, wie multiattributive Auktionen, verfahren in dieser Hinsicht anders. Sie beruhen auf der relativen Bewertung unterschiedlicher Merkmale. Der Auktionator sollte die Anzahl der zu verauktionierenden Artikel beziehungsweise Auftragspositionen überschaubar halten, um die Bieter mit der Dynamik des Auktionsprozesses nicht zu überfordern. Mehr als 60 individuelle Artikel oder Positionen verunsichern die Teilnehmer. Wer dennoch mehr Positionen einstellen will, sollte sie zu überschaubaren Warenkörben bündeln, auf die der Lieferant dann bietet. Der Auktionator klärt darüber hinaus in der Vorbereitungsphase kommunikationsbezogene Details. Die Auktionsdetails, die Datenverwaltung, und die Hard- und Softwareausstattung der Lieferanten sind festzulegen und Auktionstrainings durchzuführen. Um allen Teilnehmern die gleichen Chancen zu bieten, empfiehlt es sich, im Fall der Neueinführung von E-Auktionen vorbereitende Test-Auktionen durchzuführen.

Der Platzierung von Phantomgeboten, sowohl von Käufer- als auch von Lieferantenseite, beugen technische Maßnahmen und dokumentierte Verhaltenskodizes vor. Die Auktionsregeln sind bei jeder Auktion aufs Neue zu bestätigen. Nur so lässt sich eine stabile Auktionsreputation bilden, und es wird unter Umständen sogar ein höheres Maß an Objektivität erzielt als bei traditionellen Verhandlungen. Wichtig ist es, in der Auktionsdurchführungsphase, die Verfahren und Transparenz – entsprechend dem gewählten Auktionstyp – konsequent einzuhalten. Unabhängig vom Auktionstyp ist bei der Durchführung zu gewährleisten, dass alle Teilnehmer in Echtzeit Zugang zu den Auktionsinformationen haben und selbst im Fall von technischen Problemen rechtzeitig ihre Gebote abgeben können.

Kritisch ist, wie eine Auktion beendet wird. Als Strategie wird zunehmend das „weiche Ende“ gewählt. Bei ihm verlängert sich die Auktion automatisch um einen gewissen Zeitraum, wenn kurz vor Ende noch ein Gebot eingeht. Einige Anbieter limitieren inzwischen die Zahl der Verlängerungen, um unnötigen Verzögerungen vorzubauen. Die Auktionsnachbereitung optimiert Qualität und Reputation der Auktion. Feedbacks von und an die Lieferanten sowie unternehmensinterne „Lessons Learned-Runden“ helfen, Fallstricke und Verbesserungsoptionen zu identifizieren. Auktionsergebnisse können auf Nachfrage der Lieferanten im Detail erklärt werden, um diese zur Teilnahme an weiteren Auktionen zu motivieren. Die gemachten Erfahrungen sollten dokumentiert werden und allen Beteiligten, eventuell in unterschiedlich detaillierten Fassungen, zugänglich sein.

Die Funktion des Service-Providers

Soweit die Dinge, die der Auktionator vor, während und nach der Auktion bedenken sollte. Der Service-Provider, also der Anbieter der E-Auktions-Software, steht gewissermaßen über dem Prozess, und kann in ihm unterschiedliche Rollen einnehmen. Weit verbreitet ist die Administratorrolle, die lediglich eine administrative Unterstützung der Auktion vorsieht und das Bereitstellen von Software für das Abwickeln der gesamten Auktion beinhaltet. Darüber hinaus kann der Service-Provider beratend tätig sein, wodurch er stärker in den Prozess, vor allem die Auktionsvorbereitung, eingebunden wird.

Der Service-Provider kann zum Beispiel bei der Auswahl der (potenziellen) Lieferanten unterstützen. Diesen Service nehmen bislang wenig Unternehmen in Anspruch, da er stark in den Aufgabenbereich des Einkaufs eingreift. An Bedeutung gewinnt die Treuhänderrolle. Das heißt, der Provider fungiert als Abwicklungsinstitution und ist auch für die Sicherung der Auktionsreputation zuständig. Das entlastet den Auktionator entscheidend, und er kann sich ganz der wichtigen Phase der Auktionsvorbereitung widmen.
ZUM AUTOR
Über Dr. Bernhard Höveler
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Dr. Bernhard Höveler ist geschäftsführender Gesellschafter der HÖVELER HOLZMANN CONSULTING GmbH, Düsseldorf. Die auf das Einkaufsmanagement spezialisierte Unternehmensberatung unterstützt Unternehmen beim Identifizieren ...
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