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Fachartikel, 05.10.2006
Bildung und Beruf
Einfluss flexibler Arbeitszeiten auf die Mitarbeiterauswahl und -qualifizierung
Firmen, die sich von den herkömmlichen Modellen mit starren Zeitvorgaben trennen und zu Systemen wechseln, müssen auch dafür sorgen, dass die Mitarbeiter über entsprechende Kompetenzen verfügen. Diese Kompetenzen sind im Rahmen der Mitarbeiterauswahl zu berücksichtigen und bei bestehenden Mitarbeitern über Qualifizierungsmaßnahmen sicherzustellen.
Der Serviceberater Maier hat um 8.00 Uhr seinen ersten Kundentermin. Um 8.35 Uhr möchte er mit seiner Innendienstpartnerin eine organisatorischeFrage klären. Leider erreicht er sie nicht. Er kann auch andere Kollegen so früh am Morgen noch nicht erreichen. Um 9.10 Uhr macht er einen weiteren Versuch, bekommt aber zur Antwort, dass die Kollegin im Moment in einer Besprechung sei, die mindestens bis 11.00 Uhr daure. Der Serviceberater erhält schliesslich eine Auskunft von einer anderen Kollegin, die ihm jedoch in dieser speziellen Situation nicht weiterhilft. Der nächste Kundentermin dauert bis 12.15 Uhr. Danach versucht er die Kollegin erneut zu erreichen, erfährt dann aber, dass die Kollegin heute Nachmittag einen halben Tag abgleitet und schon nach Hause gegangen sei. Schliesslich entscheidet er sich, dass er es morgen nochmals versuchen wird.

Solche oder ähnliche Situationen kennen wir alle. Flexible Arbeitszeiten machen die Zusammenarbeit zunehmend schwieriger und schnelle Problemlösungen manchmal sogar unmöglich.

In diesem Artikel werden die Probleme flexibler Arbeitszeiten thematisiert und es wird deutlich gemacht, welche Anforderungen deshalb in Zukunft an Profile zu stellen sind. Die zunehmende Flexibilisierung der Arbeitszeitmodelle, kombiniert in vielen Betrieben mit drei bis fünf Schichtmodellen, wirkt sich auf alle Bereiche in Kommunikations- und Zusammenarbeitsprozessen in Betrieben aus. Dies erfordert es von Managern und Personalverantwortlichen, auf unterschiedlichsten Ebenen zu reagieren.

Bei diesem Thema geht es um die Frage, ob Mitarbeitende und Führungskräfte bereit und in der Lage sind, sich diesen Herausforderungen zu stellen. Es reicht hier nicht aus, einfach dem Mainstream zu folgen, Veränderungen durchzuführen und nebenbei die neuen Erwartungen an die Mitarbeitenden zu formulieren. Oft wird dies mit der Hoffnung verbunden, es werde sich dann schon richten. Viele Mitarbeitende und Manager sind sich bei der Einführung neuer Arbeitszeitmodelle nicht bewusst, was diese scheinbaren Annehmlichkeiten der Flexibilisierung in der Praxis tatsächlich bedeuten. Firmen, die zwar die Arbeitszeiten flexibilisieren, aber nicht in der Lage sind, Mitarbeitende entsprechend den neuen Anforderungen auszuwählen oder zu qualifizieren, werden mittel- und langfristig scheitern.

Kurzgefasst lässt sich sagen, dass sich diese Neuerungen auf alle Mitarbeitende auf allen Ebenen auswirken und nur mit einer deutlich verbesserten Arbeitsorganisation bewältigen lassen. Konkret haben diese Veränderungen Einfluss auf folgende Bereiche:

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Informationsfluss
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Der Informationsfluss wird schwieriger, da ein weit höherer Aufwand zur Erhaltung der Transparenz notwendig ist. Es ist nicht mehr so einfach, oft sogar unmöglich, alle Mitarbeitende gleichzeitig in Besprechungen zu haben. Der eine Mitarbeitende arbeitet beispielsweise nur vormittags, der zweite arbeitet nur montags bis mittwochs, der dritte immer nur nachmittags. Ausserdem müssen sie von sich aus Irritationen und Verärgerungen ansprechen können und nicht unnötig warten, bis Ärger oder Unmut
Konflikte auslösen.

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Ressource „Zeit“
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Die zunehmend geringer zur Verfügung stehende Zeitressource zwingt uns dazu, Probleme gezielt auf den Punkt zu bringen. Mitarbeitende und Führungskräfte, denen es schwer fällt, Ideen, Innovationsgedanken oder Erwartungen wirkungsvoll und strukturiert innerhalb kurzer Zeit darzustellen, nehmen sich und dem Betrieb die Möglichkeit, Innovationen durchzusetzen.

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Arbeitsorganisation
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Nur wenn es allen gelingt, die eigene Arbeitsorganisation auf die Umgebung abzustimmen, werden wir in hochkomplexen Situationen effektiv und effizient sein können.

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Kommunikation im Unternehmen
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Die schnelle Kontaktherstellung und die Fähigkeit, Arbeitsbeziehungen langfristig aktiv zu halten und diese gar zu verbessern, werden immer mehr zum Erfolgsfaktor. Genau dies erfordert jedoch die Fähigkeit, emotionale Spannungen aushalten zu können und trotzdem schwierige Situationen konstruktiv zu bewerten und zu lösen. Hierbei besteht die Gefahr, dass übereilt negative Unterstellungen aus Mangel an Absprachen und Missverständnissen gemacht werden, die die Zusammenarbeit erschweren.

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Meetingkultur
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Eine weitere wichtige Vorraussetzung zum professionellen Umgang mit flexiblen Arbeitszeiten ist die Fähigkeit, Meetings häufiger, aber strukturierter und im vorgesehenen Zeitrahmen durchzuführen.Wir müssen genauso in der Lage sein, und dies vor allem auch wollen, das Tagespensum in Abstimmung mit den Arbeitszeiten der Kollegen und Kolleginnen zu bearbeiten.

Diese angesprochenen Punkte sind nicht nur für funktionierende Arbeitsprozesse, sondern auch aus motivationalen Gründen wichtig. Denn spätestens seit den Sechzigerjahren ist durch Frederick Herzberg (US-amerikanischer Arbeitswissenschaftler, 1923 bis 2000) bekannt,
dass sich bei der Mitarbeitermotivation so genannte Hygienefaktoren von Motivatoren unterscheiden lassen. Inhaltlich bedeutet dies, dass als Grundvoraussetzung für Engagement und Motivation

::: Transparenz
::: ein funktionierender Informationsfluss
::: der persönliche Kontakt
::: die Qualität der Arbeitsbeziehungen und
:::der Führungsstil

die Basis für Zufriedenheit und Motivation darstellen. Gerade diese Faktoren laufen durch eine hohe Arbeitszeitenflexibilität Gefahr, ausgehöhlt zu werden.

Demgegenüber steht, was für die Motivation ebenfalls wichtig ist, der starke Wunsch der Mitarbeitenden nach Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiräumen. Die Arbeitszeitflexibilisierung hat meist die Befriedigung dieser Bedürfnisse im Fokus. Die schwierige Aufgabe in der Praxis ist, eine Balance zwischen möglichst viel überlappenden Arbeitszeiten und Selbstbestimmung zu finden. Um dies gut und erfolgreich erreichen zu können, benötigen Mitarbeitende eine hohe Anzahl an Mindestvoraussetzungen beziehungsweise persönliche Qualifikationen, die sich im Anforderungsprofil niederschlagen sollten.

Qualifikationsanforderungen der Zukunft

Viele der folgenden Merkmale sind nicht neu und galten schon bisher. Verändert hat sich die praktische Relevanz, die diesbezüglich oft unterschätzt wird. Es werden aus so genannten Kann-Kriterien («nice to have») Muss-Kriterien. So hat beispielsweise die Firma Homag (Schwarzwald/Deutschland; Weltmarktführer für Holzverarbeitungsmaschinen) bereits vor einigen Jahren auf diese veränderten Arbeitsplatzanforderungen reagiert und die meisten der folgenden Anforderungen als «K.o.-Kriterien» bei Führungskräften definiert.

Absolute Muss-Kriterien sind (in den Klammern steht jeweils eine mögliche Einstellung von Mitarbeitenden, die diese Fähigkeit nicht haben):

:: Interesse am Umgang mit anderen Kollegen und Mitarbeitenden. („Ich arbeite lieber alleine.“)

::: Proaktiv sein, um neue Kontakte zu knüpfen und diese langfristig aufrechterhalten zu können. („Ich warte, bis mich jemand anspricht. Wenn andere ein Interesse an mir oder an meiner Arbeit haben, sollensie sich melden.“)

::: Persönliche Stabilität (Selbstvertrauen) und Konfliktfähigkeit, um so emotional unangenehme Situationen ertragen und konstruktiv lösen zu können. („Ich traue mich nicht. Um die Atmosphäre nicht noch mehr anzuspannen, bin ich lieber ruhig“.)

::: Durchsetzungsfähigkeit, um so schnell und wirksam andere von eigenen und/oder neuen Ideen überzeugen zu können. („Ich drücke mich lieber vorsichtig aus, um so nicht angreifbar zu sein.“)

:: Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit, um sich so immer wieder selbst Impulse zu geben und sich nicht nur für die Aufgabe, sondern auch für das Ergebnis verantwortlich zu fühlen. („Ich warte lieber ab; dann sollen sie mich fragen oder bitten. Ich tue meine Arbeit und gebe mir Mühe.“)

:: Strukturiert und zielorientiert arbeiten wollen und können (planen und umsetzen) und den eigenen Arbeitsstil unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen anpassen können. („Jeder hat seinen eigenen Stil.“)

::: Fähigkeit und Bereitschaft in unterschiedlichsten Situationen flexibel zu agieren. „(Zu viele Aufgaben parallel reduzieren meine Konzentrationsfähigkeit. Wirklich gut kann man nur arbeiten, wenn eine Aufgabe nach der anderen bearbeitet wird.“)

::: Fähigkeit, das eigene Verhalten und die persönliche Wirkung auch in Stress- und Konfliktsituationen realistisch einschätzen und bewusst steuern zu können. („Andere müssen mich so nehmen, wie ich bin.“)

::: Interesse, nicht nur an die eigenen Arbeitsergebnisse, sondern auch an das eigene Verhalten einen hohen Qualitätsanspruch zu stellen. („Ich bin hier nur Angestellter und mache meine Arbeit. Als Erwachsener kann man sich nicht so einfach ändern.“)

::: Sich als Dienstleister sehen und für Kollegen und Kunden mitdenken. („Wenn andere Informationen benötigen, sollen sie es sagen. Mich kann man immer fragen.“)

Um diese Kompetenzen bei Neueinstellungen sicher erfassen zu können, werden die Auswahlgespräche bei den meisten Firmen deutlich länger als bisher dauern müssen. Ausserdem lassen sich einige Anforderungen ohne Testsysteme oder Assessments nicht bewerten.

Die Firma KaVo (Deutschland, ein Weltmarkführer für Dentale Instrumente und Geräte) passte ihre Anforderungsprofile ebenfalls an die veränderten Bedingungen an. Hierbei steht die durchgängige Qualität des persönlichen Verhaltens und das Proaktivsein im Mittelpunkt. Um diese Kriterien in der Praxis zuverlässig prüfen zu können, werden Tools entwickelt und Trainings zur Anwendung der Tools durchgeführt. Damit erhalten alle Personalverantwortliche Handwerkszeug, um diesen Aufgaben gerecht werden zu können. Dies gilt auch für die Führungskräfte, die in der Lage sein sollen, bei vorhandenen Mitarbeitenden die entsprechenden Stärken und Schwächen zu erkennen, um ihnen so gezieltes Feedback geben und auch sinnvolle Qualifizierungsmassnahmen einleiten zu können.

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Dr. Albrecht Müllerschön ist Manager, Berater und Trainer und hat Psychologie und Rechtswissenschaften studiert. Er beschäftigt sich seit fast 20 Jahren mit Fragen der Personaldiagnostik. Er gehört beim ZfU zur Core Faculty und wurde 2005 mit dem Trainer Award in
Gold ausgezeichnet.
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Über unternehmensberatung müllerschön
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