Pressemitteilung, 20.02.2007 - 15:34 Uhr
Perspektive Mittelstand
Einblicke in die Bananenrepublik Deutschland - Zwischen politischem Nebel und bürokratischem Unvermögen - Wie in diesem Land ein Umweltgesetz entsteht
(PM) , 20.02.2007 - Von Günter Ederer Berlin, www.ne-na.de – Als „großen Schritt für bessere Luft in unseren Innenstädten“ freut sich die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Astrid Klug, als der Bundesrat am 15.12.2006 endlich dem Vierten Gesetz zur Änderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes zustimmte. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich die steuerliche Förderung bei der Nachrüstung von Diesel-Pkw mit Rußfiltern. Damit soll nachhaltig die Gesundheit der Bürger geschützt werden. Noch Mitte Februar sollte der Bundestag seinen Segen geben. Aber nun ist Sand im Getriebe. Der Mann der da nicht einfach eine Vorlage abnicken wollte, ist Dr. Volker Wissing, FDP-Abgeordneter aus Rheinland-Pfalz und Mitglied des Finanzausschusses. Allein die Eile machte ihn stutzig. 330 Euro darf, wenn das Gesetz verabschiedet wird, jeder Diesel-Pkw-Besitzer von seiner Kraftfahrzeugsteuer absetzen. Voraussetzung, er investiert zirka 650 Eruo in einen Rußfilter. Wissing wollte eine Anhörung des Finanzausschusses, um heraus zu finden, ob der vorgeschlagene Weg wirklich der beste sei. Das passte der Staatssekretärin nicht. Sie setzte sich mit dem FDP-Politiker in Verbindung und drängte zur Eile. Vier Jahre habe die Abstimmung mit den Ländern gedauert und nun sei alles abgestimmt. Da könne auch nichts mehr geändert werden, denn mit der Industrie sei der Beginn der Werbekampagne schon abgestimmt. Da wurde Wissing erst recht bockig und so kam es am 31.01.2007 zu einer öffentlichen Anhörung. Peinlichkeit Nummer eins: Den Gesetzestextern war trotz langjähriger Verhandlungen entgangen, dass ausgerechnet die Behinderten von der Förderung ausgenommen werden. Da Behinderte, entsprechend ihrer Einstufung ein Anrecht auf eine Kraftfahrzeugsteuerermäßigung haben, wären sie beim Umbau ihrer Fahrzeuges weniger gefördert worden. Ein hundertprozentig Behinderter hätte sogar überhaupt nichts mehr bekommen und müsste die Kosten in vollem Umfang selbst tragen. Nach einigem Hin- und Her hatte die CDU-Abgeordnete eine Erleuchtung. Sie fragte die Vertreter des Bundesverbandes für Körper- und Mehrfachbehinderung, ob sie sich auch eine Regelung außerhalb des Gesetzes vorstellen könnten. Nach vier Jahren sei keineswegs gesichert, dass der zur Debatte stehende Kompromiss weitere Beratungen überstehen würde. Vier Jahre, in denen die Behinderten übersehen worden waren. Frau Tilmann forderte den Vertreter der Industrie auf, doch auch einmal etwas dazu zu sagen und sprach dabei direkt Wolfgang Maus an, dessen Unternehmen Emitec die Filter herstellt. Maus schlug vor, die Industrie könne sich ja verpflichten, Behinderten gegen Vorlage eines Ausweises, die Filter mit einem Rabattsystem einzubauen. Hauptsache: Keine weitere Verzögerung. Dieses Entgegenkommen sollte der Industrie nicht schwer fallen. Der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes rechnet mit einem Umsatz von rund 1,5 Milliarden Euro durch die Nachrüstung. Wie schön. Da macht der Staat ein Gesetz, dass der Umwelt und damit den Menschen dienen soll und bezahlt es dann weitgehend selbst durch Steuerermäßigung. Schönheitsfehler werden außerhalb des Gesetzes geregelt, Hauptsache die Werbekampagne kann beginnen. Doch dann stolperte der unbotmäßige Wissing über eine weitere Peinlichkeit: die zweite, die ohne Anhörung wohl nicht diskutiert worden wäre. In dem Gesetzentwurf steht, dass jeder, der nicht umrüstet, mit einem Malus von 1,20 Euro pro 100 Kubikzentimeter bestraft wird. Dadurch macht es für kleine sparsame Autos finanziell keinen Sinn, einen Filter einzubauen. Dieser Malus aber bringt Geld in die Kasse. Unter Punkt D des Gesetzesentwurfes werden die finanziellen Auswirkungen dieser Regeln auf die öffentlichen Haushalte aufgeführt. Und da finden sich dann für die Jahre 2010 und 2011 Steuermehreinnahmen. Ohne die, so hatte es Wissing aus den Kulissen vernommen, hätten die Länder dem Umweltgesetz nicht zugestimmt. Also ist der Umkehrschluss erlaubt: Wenn es um die Gesundheit der Bürger geht, machen die Länder nur mit, wenn sie dabei eine versteckte Steuererhöhung erreichen können. In der Anhörung wollte Wissing von der Industrie wissen, ob ihr bewusst sei, dass das Gesetz mit einer Steuererhöhung verbunden sei. Na ja, wurde ihm da vom Industrievertreter Hermann J. Schulte beschieden: Das wisse man schon. Und unter zustimmenden Gesten der Staatssekretärin führt Schulte weiter aus: Diese Mehreinnahmen des Staates sollte man nutzen und das Thema objektiv in den Markt tragen. Deutlicher ausgedrückt: Der Staat soll die Werbung für das Gesetz bezahlen. Schließlich sehe das ja viel neutraler aus und stoße deshalb auch auf eine höhere Akzeptanz. Der Industrie würde sicher unterstellt, die wollen nur Umsatz machen. Dabei geht es doch um die Umwelt. Jetzt sitzt der vom Volk gewählte Abgeordnete Wissen da und grübelt, warum es ein Parlament gibt, wenn sich die Administration mit der Industrie einigt. Hätte er nur auf die Anhörung verzichtet, dann müsste er jetzt auch nicht frustriert über seine Rolle in diesem Staat nachdenken. Denn auch wenn er zwei Peinlichkeiten entdeckt hat, vor lauter Jubel über ein neues Umweltgesetz, vor lauter Begeisterung, das vom Staat wieder einmal mit Steuerausnahmeregeln bezahlt wird, interessiert es wohl keinen, wie so ein Gesetz zustande kommt.