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Düstere Prophezeiungen sind kein Privileg der Linken – Michael Stürmer und die neue Weltunordnung

(PM) , 19.01.2007 - Von Ansgar Lange Bonn/Hamburg – Michael Stürmer ist das Gegenteil eines Gelehrten aus dem Elfenbeinturm. Er ist ein profunder Kenner der Geschichte und wurde von seinen linken Kontrahenten einst als „Nato-Historiker“ diffamiert. Sein „schwerer Fehler“: Wie seine universitären Kollegen Klaus Hildebrand und Andreas Hillgruber wollte er sich nicht dem Deutungsanspruch der Gesellschaftsgeschichte beugen. Stürmer war immer ein Realist und ein liberaler Konservativer – und solche sind nicht in ostwestfälischen Provinzstädten beheimatet. Selbstverständlich muss es seine zünftigen Kollegen verstören, dass er lange Zeit als Chef der Stiftung Wissenschaft und Politik erfolgreich war und dem Kanzler Helmut Kohl als Berater zur Seite stand. Stürmer ist kein Freund der fußnotengespickten Werke; sonst wäre er wohl auch nicht seit über 20 Jahren als Kolumnist für die Neue Zürcher Zeitung, die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Die Welt tätig. Für die letztgenannte Gazette testet er auch bei Gelegenheit für den Automobilteil einen Bentley und konstatiert etwas wehmütig, dass eine solche Luxuskarosse bei den Damen wenig Eindruck schindet. Sein neues Werk kommt nicht so leicht daher, obwohl es – das ist man vom Autor gewohnt – leicht und locker geschrieben ist. Über eine solch elegante Feder verfügen eben ein Kocka, Mommsen oder Wehler nicht. Im Nachwort dankt er Elisabeth Noelle dafür, dass er während der Arbeit am Manuskript immer wieder in ihrem Tessiner Weinberg Refugium gewährt bekam. Doch der Traubensaft scheint ihn in düstere Stimmungen versetzt zu haben. Stürmer gilt als Anhänger der realistischen Schule in der Außenpolitik, doch in „Welt ohne Weltordnung“ präsentiert er sich eher als Vertreter der Kassandra-Schule. Man dachte eigentlich, dass Weltuntergangsstudien ein Privileg der Linken seien. Zum Glück sind sie bisher noch nie eingetreten. Aber darauf kommt es ja gar nicht an. Wer solche düsteren Bücher schreibt, will meistens vor Fehlentwicklungen warnen und greift dann ein wenig zu stark in die Tasten. Eine Frau, die Lippenstift und Rouge zu dick aufträgt, verliert an Attraktivität. Und ein Autor, der zu stark überzeichnet, schadet seinem ernsten Anliegen ebenfalls. Natürlich liest man brillant geschriebene Werke konservativer Autoren mit Genuss. Man denke an die beiden Bücher Winfried Martinis aus den 50er Jahren. Fantastisch geschrieben, doch zum Glück haben sich die Prognosen zum Untergang der westlichen Welt nicht eingestellt. Stürmers knapp 200-seitiges Werk lässt sich gut als Einführung in die internationale Politik lesen. Im ersten Kapitel berichtet er, wie der Kalte Krieg an sein Ende kam. Im zweiten Kapitel beschreibt er die Mächte ohne Gleichgewicht. „Europa steckt in der Krise“, dekretiert der Autor, der – wir bewundern ihn dafür – völlig frei von (Selbst-)Zweifeln zu sein scheint und genau weiß, was Sache ist. Nur gemeinsam mit den Vereinigten Staaten habe der alte Kontinent eine Chance, der nach Ansicht von Stürmer aber auf dem absteigenden Ast ist. Es gehe erst wieder aufwärts, wenn die Europäer sich wieder klarmachten: „The world is still a dangerous place.“ Russland ist das „Imperium ohne Imperialmacht“. Es ist ein unruhiges Reich, das seine neue Rolle noch nicht gefunden hat. Aber so viel ist offensichtlich: „Putin hält die Landkarte der Gegenwart nicht für das letzte Wort der Geschichte.“ Es ist die große Schattenseite der Kanzlerschaft Gerhard Schröders, dass sie zu einer sehr negativen Einschätzung der USA und zu einer Weichzeichnung Russlands geführt hat. Mittlerweile ahnt man, welche Motive Schröder bei seinem Kuschelkurs gegenüber Putin bewogen haben. Eine realistische Außenpolitik im Sinne der Wahrung deutscher Interessen hätte anders aussehen müssen. Während Stürmer bei Europa nur die negativen Punkte gelten lässt, schätzt er die Chancen Chinas überaus positiv ein. Für ihn ist das „Reich der Mitte“ die kommende Großmacht. Sicher, der Einfluss der Chinas wird steigen. Aber oft vergessen die so genannten „Experten“, die das Land nur aus Bücher oder vielleicht gelegentlichen Besuchen kenne, dass es immer noch riesige Probleme und Defizite hat. Der Spiegel-Redakteur Gabor Steingart hat aus dieser These sogar ein Buch gemacht: Die „gelbe Gefahr“ droht alles zu überrollen, die Entwicklung des Riesenlandes verläuft zwangsläufig. Solche Argumentation ist zu holzschnittartig. Nur Amerika hat es in der Hand, wieder für Ordnung in der Welt zu sorgen. Doch ob es die USA wirklich mit den neuen Herausforderungen wie China, Indien, terroristischen Bedrohungen, Energiesicherung der westlichen Welt etc. dauerhaft erfolgreich aufnehmen können, bleibt ungewiss. Überhaupt enttäuscht das Schlusskapitel mit dem Titel „Wer wird die Erde erben?“ ein wenig. Von Stürmer hätte man eine Art positive Handlungsanweisung erwartet.. Wie kann die Politik der westlichen Staaten in Zukunft aussehen, damit sie bei der neuen Weltordnung nicht unter die Räder kommen? Sätze wie „Freiheit bedarf der Sicherheit, sonst wird sie sich selbst zerstören. Sicherheit bedarf der Freiheit, sonst wird sie zum Selbstzweck“ hören sich zwar gut an. Aber wirklich schlauer machen sie uns nicht. Michael Stürmer lässt uns etwas ratlos zurück. Michael Stürmer: Welt ohne Weltordnung. Wer wird die Welt erben? Murmann Verlag: Hamburg 2006. 256 Seiten, 22.50 Euro, ISBN 3-938017-61-9. www.murmann-verlag.de.
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