Nach den jetzt vorliegenden Zahlen für 2009 hat die Finanzverwaltung durch Betriebsprüfungen allein im letzten Jahr zusätzlich Umsatzsteuer in Höhe von 1,6 Mrd. €, Körperschaftsteuer in Höhe von 6,1 Mrd. € und Gewerbesteuer in Höhe von 4,3 Mrd. € „herein geholt“ (Bundesfinanzministerium, Monatsbericht August 2010).
Besonders fatal ist in diesem Zusammenhang, dass das Finanzgericht (FG) Münster die Rechtsposition der Finanzverwaltung jetzt spürbar gestärkt hat. Danach haben die Betriebsprüfer nun auch einen direkten Zugriff auf das Daten-Management-System eines Unternehmens (FG Münster, Urteil vom 1.7.2010, Az. 6 K 357/10 AO, veröffentlicht am 15.9.2010).
Betriebsprüfung eskalierte
In dem entschiedenen Fall ging es um eine heftige Auseinandersetzung, die jetzt das FG Münster beschäftigte. Auf der einen Seite stand ein deutsches Produktionsunternehmen. Auf der anderen Seite handelten das Finanzamt und die von ihm entsandten Betriebsprüfer. Ausgangspunkt der Auseinandersetzung war eine Betriebsprüfung, die in einer Niederlassung des Unternehmens stattfand. Diese gewährte den Betriebsprüfern jeden gewünschten Zugriff auf ihre digitale Betriebsprüfung.
Firma druckte gespeicherte Eingangsrechnungen aus
Die der digitalen Betriebsprüfung zugrunde liegenden Originalbelege waren nicht in der Niederlassung, sondern in der Zentrale archiviert, die sich an einem anderen Ort befindet. Die Betriebsprüfer forderten mehrfach die Vorlage von Eingangsrechnungen, um zu klären, ob strittige Millionenbeträge zutreffend als Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten aktiviert oder den Reparaturkosten zugeordnet worden sind. Das Unternehmen suchte die erbetenen Eingangsrechnungen aus dem Archiv heraus und stellte sie den Betriebsprüfern als Kopie zur Verfügung.
Betriebsprüfer forderten Zugriff auf das Firmen-Datensystem
Das war den Betriebsprüfern zu umständlich und zu zeitintensiv. Deshalb forderten sie das Unternehmen auf, ihnen den direkten Lesezugriff auf alle Eingangsrechnungen zu ermöglichen, die im firmeninternen Daten-Management-System digitalisiert hinterlegt waren. In diesem Daten-Management-System digitalisierte und verarbeitete das Unternehmen Dokumente unterschiedlichster Art. Auch ein Großteil der Eingangsrechnungen (ca. 85 bis 90 %) war in dieses System eingestellt. Die digitalisierten Eingangsrechnungen wurden jeweils mit einem Barcode versehen, gescannt und im System abgespeichert.
Das Unternehmen verweigerte den Betriebsprüfern den Zugriff auf das Daten-Management-System und argumentierte im Wesentlichen wie folgt:
Richter ließen die Argumente der Firma nicht gelten
Mit diesen Argumenten konnte sich das Unternehmen weder beim Finanzamt noch vor Gericht durchsetzen. Zunächst stellen die Finanzrichter klar, dass es sich bei den strittigen Eingangsrechnungen um Unterlangen handelt, die den Pflichten und Maßgaben der digitalen Betriebsprüfung unterfallen (§ 147 Abgabenordnung). Im Einzelnen:
Aufbewahrungspflicht
Danach gehören zu den aufbewahrungspflichtigen Unterlagen unter anderem alle empfangenen Handels- und Geschäftsbriefe. Aufzubewahren sind also insbesondere auch Eingangsrechnungen. Zugleich handelt es sich dabei auch um Buchungsbelege, die ebenfalls der Aufbewahrungspflicht unterliegen.
EDV-Verarbeitung
Die Eingangsrechnungen wurden nach Auffassung der Finanzrichter auch EDV-mäßig verarbeitet, indem sie digitalisiert, gescannt und im Daten-Management-System gespeichert wurden. Außerdem soll es keinen Unterschied machen, ob Unterlagen original digital erstellt oder erst gescannt und dann in ein Daten-Management-System eingestellt werden.
Ausdruck in Papierform
Dass das Unternehmen die Eingangsrechnungen auch in Papierform aufbewahrt und alle von den Betriebsprüfern angeforderten Eingangsrechnungen als Ausdruck vorgelegt hat, lässt das Zugriffsrecht auf das Daten-Management-System nicht entfallen. Dazu die Finanzrichter kurz und bündig: Das Zugriffsrecht des Finanzamts erstreckt sich grundsätzlich auf alle Formen der Aufbewahrung.
Umfassender Zugriff
Bei einer elektronischen Aufbewahrung von Unterlagen sind Unternehmen verpflichtet, der Finanzverwaltung und damit auch Betriebsprüfern Zugriff auf die unternehmensinterne EDV zu ermöglichen – unabhängig davon, ob die elektronisch gespeicherten Daten zusätzlich auch noch in Papierform (im Original oder in Kopie) vorgehalten werden und vorgelegt werden können.
Datentrennung Dass im Daten-Management-System auch jede Menge und sogar ganz überwiegend steuerlich nicht relevante unternehmensinterne Vorgänge gespeichert waren, ließen die Finanz-Richter ebenfalls nicht gelten. Ihnen genügte, dass unter anderem eben auch Eingangsrechnungen in das System eingestellt waren.
Um die digitale Betriebsprüfung zu ermöglichen, ist jedes Unternehmen verpflichtet, die eigenen Datenbestände so zu organisieren, dass bei einer zulässigen Einsichtnahme in steuerlich relevante Datenbestände keine geschützten Bereiche tangiert werden können. Zu einer umfassenden Zugriffssperre unternehmensintern sensibler Bereiche sei jedes Unternehmen aufgrund diverser gesetzlicher Vorschriften (z. B. Datenschutzgesetze) verpflichtet.
Stand der Technik
In diesem Zusammenhang ließen die Finanzrichter durchblicken, dass sie dem Unternehmen nicht glaubten, nach dem Daten-Management-System sei eine Trennung in steuerrelevante und anderen Daten nicht möglich. Nach Kenntnis der Richter ist heutzutage praktisch bei allen am Markt angebotenen Systemen eine Datentrennung mittels Zugriffsberechtigungsregelung möglich.
Was dieses Urteil für Sie bedeutet
Fazit
Bevor der Betriebsprüfer kommt, lohnt es sich, die gespeicherten Daten zu prüfen, und all das, was steuerlich relevant ist, in eigene Bereiche zu kopieren – oder auch zu löschen, wenn sie anderweitig auch aufbewahrt werden. Die Gier des Betriebsprüfers nach Daten kennt sonst keine Grenzen …