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Der rheinische Kapitalismus ist tot – Es lebe der neue deutsche Kapitalismus

(PM) , 16.03.2006 - Bonn/Düsseldorf – Das Ende der Deutschland AG ist schon oft eingeläutet worden. Dies ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass sie immer noch nicht ganz an ihr Ende gelangt sein dürfte. Doch es mehren sich die Anzeichen, dass die deutsche Wirtschaft vor einem grundlegenden Wandel steht. Am 16. März 2006 bringt der Campus-Verlag www.campus.de ein Buch auf den Markt, das den programmatischen Titel „Der neue deutsche Kapitalismus“ trägt. Verfasser ist Thomas Hanke, der beim Düsseldorfer Handelsblatt www.handelsblatt.de das Ressort Meinung und Analyse leitet. In einem Handelsblatt-Essay gab Hanke bereits einen Vorgeschmack auf das, was in seinem neuen Buch über das Ende des Korporatismus und den Wandel von Markt und Zivilgesellschaft zu lesen sein wird. Sein Resümee: „Die Republik ändert sich, ohne ein Klon des angelsächsischen Modells zu werden“. Was versteht man eigentlich unter dem Begriff der „Deutschland AG“? Entscheidend für den „rheinischen Kapitalismus“ war die „multiple Schlüsselrolle der Banken als Kreditgeber, Aufsichtsräte, Anteilseigner und Wahrnehmer von Depotstimmrechten bei den großen, börsennotierten Aktiengesellschaften“, so Hanke. Allgemeiner gesagt: In der alten Bundesrepublik versuchten Banker, Politiker, Funktionäre von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden sowie Unternehmer, die Wirtschaft in ihrem Sinne zu lenken. Als die Bundesrepublik um die Länder der ehemaligen DDR erweitert wurde, geriet dieses alte Modell rasch an seine Grenzen. „Der Korporatismus, also die für Deutschland typische starke Beteiligung der Verbände an den politischen Entscheidungen, funktioniert nicht mehr wie früher. Konsens ist nicht mehr das Maß aller Dinge“, schreibt Hanke. Wird Deutschland ein Klon des angelsächsischen Modells? Ein neuer deutscher Kapitalismus formiere sich, dessen Gesicht wir noch nicht kennen. Es müsse nicht sein, dass die Entwicklung „auf einen angelsächsisch geprägten Einheitskapitalismus“ hinauslaufe. Der Handelsblatt-Chefdenker hält es für kurios, dass ausgerechnet Teile der deutschen Linken so beunruhigt auf die Entflechtung der Deutschland AG reagieren. Denn über Jahre hatten sie doch gefordert, die Macht der hiesigen Banken einzuschränken. Jetzt setzt Deutschland auf Aktionärsdemokratie statt auf Kungelei in Aufsichtsräten; und wieder stimmt die Richtung nicht. Wunschwelt und Wirklichkeit liegen bei den traditionell kapitalismuskritischen Deutschen weit auseinander: Einerseits träumt man von der solidarischen Gesellschaft, in der die Ellbogen nicht ausgefahren werden. Andererseits stellt sich die deutsche Wirtschaft international recht erfolgreich dem Wettbewerb und profitiert von freien Märkten. Mit neuen Arbeitsformen, flexibleren Arbeitszeiten und mehr Markt ziehe nicht die totale Ökonomisierung aller Lebensbereiche ein, vor der eingeschworene Konservative wie der Publizist Alexander Gauland gebetsmühlenartig warnen. „Vielmehr scheint es so zu sein, dass die Zivilgesellschaft ein neues Selbstbewusstsein entwickelt und wir uns in Richtung eines veränderten Gleichgewichts zwischen Wirtschaft, Staat und Bürgergesellschaft bewegen“, meint Hanke. Möglicherweise verschwinden in diesen Jahren also nicht nur die Deutschland AG, der Korporatismus und die Angst vor Internationalisierung, sondern auch der Mythos vom gefährlichen Kapital, den die Deutschen seit der Gründerzeitkrise 1873 mit sich herumschleppen. Mythos vom gefährlichen Kapital Auch andere Experten stützen die Sichtweise, die in Hankes Buch und Essay zum Ausdruck kommt. In einem Jahresausblick für 2006 skizzierte Eckard Bolsinger, stellvertretender Institutsdirektor von Haus Rissen Hamburg www.hausrissen.org, Beispiele für einen Wandel der Wirtschaft, die zu einem Ende des Modells Deutschland führen werden. Auch wenn derzeit die Stimmung besser ist als die tatsächliche Lage, so wird der Grad der Veränderungen noch nicht von allen erkannt: „Wir leben in einer Periode des tiefgreifenden Wandels der Wirtschaft. In seinen Konsequenzen wird er vielleicht radikaler sein als die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert.“ Bolsingers erstes Fallbeispiel berührt den Wandel von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft. „Der rheinische Kapitalismus ist tot. Deutschland wird angelsächsischer“, so beschreibt Michael Müller, Geschäftsführer der auf IT-Dienstleistungen spezialisierten a & o-Gruppe www.ao-services.de und Wirtschaftssenator im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) www.bvmwonline.de, diesen Prozess. Früher sei der Renditedruck in Deutschland noch nicht so stark ausgeprägt gewesen wie heute. Banken, Versicherer, Unternehmensberater und Gewerkschaften bestimmten letztlich über Wohl und Wehe vieler deutscher Unternehmen. Deutschland galt damals als unannehmbare Festung. Diese Zeiten seien zwar längst vorbei, doch an angelsächsischer Dienstleistungsbegeisterung ließen es die Deutschen immer noch fehlen: „Die Zahlen der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe gehen kontinuierlich zurück. Im Dienstleistungsbereich entstehen hingegen immer mehr neue Jobs. Doch die Menschen leben oft noch in einer anderen Welt, nämlich in der guten alten Welt der Autobauer und Industriekonzerne. Wir haben es versäumt, ähnlich radikal zur Dienstleistungsgesellschaft zu werden wie Großbritannien und die USA. Und zwar so, dass es Jobs für sehr gut und gering qualifizierte Bewerber gibt.“ Klassische Industrie ist längst kein Beschäftigungsmotor mehr In diesen Ländern, so Bolsinger, seien nur noch 14 (Großbritannien) beziehungsweise zehn (USA) Prozent der Erwerbstätigen im produzierenden Gewerbe beschäftigt. Denn ein Beschäftigungsmotor sei die klassische Industrie schon lange nicht mehr. Der Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft wird noch dadurch verstärkt, indem deutsche Unternehmen ihre Produktion zunehmend ins Ausland verlagern. Doch nach Ansicht des Autors reagiert die Politik nur hilflos mit Appellen an den Patriotismus der Unternehmer, ohne diesen alle Unterstützung zu gewähren, damit sie im globalen Wettbewerb standhalten können. Bolsingers Zentralthese besagt, dass der lange leidende Patient nun endlich verstorben und der rheinische Kapitalismus in die Grube gefahren sei. Dies bedeute das Ende des kooperativen Kapitalismus: „Alleiniger Maßstab für die Führung von börsennotierten Unternehmen wird mehr und mehr die Wertsteigerung der Aktien sein, der shareholder value. Ob dadurch die deutsche Managementkultur amerikanisiert wird, bleibt weiter offen. Sicher ist nur eines, die deutsche Politik gestaltet diesen Wandel nicht aktiv. Sie lässt ihn zu, will es aber dann nicht gewesen sein. Auch so kann der Ruf von Globalisierung und Marktwirtschaft ruiniert werden.“ In die gleiche Kerbe – nur wesentlich martialischer – haut Wolfgang Münchau in seinem neuen Buch über „Das Ende der sozialen Marktwirtschaft“. Münchau war einer der Gründer der Financial Times Deutschland (FTD) www.ftd.de. Der Autor hält so ziemlich alles für falsch, was den deutschen lieb und teuer ist. Als Leser reibt man sich verdutzt die Augen und fragt sich nach der Lektüre, warum die Bundesrepublik denn so lange wirtschaftlich erfolgreich war. Angeblich ist die ganze Soziale Marktwirtschaft Mist, der Mittelstand ist nicht das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, sondern eine Art Mühlstein, der Deutschland ökonomisch immer weiter herunterzieht. Und nebenbei rehabilitiert Münchau auch noch Keynes und den „Weltökonomen“ Helmut Schmidt. Muss man das ernst nehmen? Nein, aber die Lektüre macht trotzdem viel Spaß, und das ein oder andere Körnchen Wahrheit ist auch in diesem Buch versteckt. Der Totenschein ist noch nicht ausgestellt Allen Autoren aber ist gemeinsam, dass sich Deutschland grundlegend wandeln muss. Von der Bundesregierung gehen hierzu bisher keine Aktivitäten aus. Angela Merkel bereist das Ausland und schweigt zu inneren Problemen. Michael Glos (CSU) kann es anscheinend immer noch nicht fassen, dass er nicht im Verteidigungsministerium, sondern im Wirtschaftsministerium sitzt. Und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi geht wegen ein paar Minuten mehr Arbeitszeit auf die Barrikaden, so als lebten wir noch in den goldenen Zeiten ständigen Wachstums. Lebt der so oft totgeschriebene rheinische Kapitalismus vielleicht doch noch einige Jährchen? Dies wäre fatal, denn es würde die Bürger dieses Landes teuer zu stehen kommen.
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