VOLLTEXTSUCHE
Pressearchiv
NeueNachricht
Pressemitteilung

„Der Mund eines vollkommen zufriedenen Mannes ist mit Bier gefüllt“ – Weingenuss führt zu Wählerschwund bei den Volksparteien

(PM) , 02.11.2006 - Von Ansgar Lange Bonn/Berlin – Seit einigen Jahren schon wird über die so genannte „Politikverdrossenheit“ palavert. Als noch Geld in den öffentlichen Kassen war, konnten sich die Regierenden die Zustimmung der Wähler „kaufen“. Politiker rätseln, wie dem Übel der zunehmenden Abstinenz des Wahlvolkes in Zeiten leerer Kassen beizukommen sei. Muss die CDU nicht sozialer werden, fragt der Rüttgers-Müller-Flügel in der Union. Sollte sich die SPD nicht stärker den gern beschworenen „Leistungsträgern“ und Mittelschichten zuwenden, fragen Sozialdemokraten, die sich für modern halten. Mit politologischen Erwägungen können sich die beiden gar nicht mehr so großen Parteien nicht aus ihrem 30-Prozent-Turm befreien. Eine andere Lösung muss her. Und die ist so bestechend und einfach, dass es verwundert, warum noch niemand auf diese Lösung gekommen ist. Unsere Parlamentarier müssen lernen, wieder mehr Bier zu trinken. Denn seit sich selbst in der Wolle gefärbte Sozialdemokraten oder Sozialisten für alles Rote nur dann begeistern können, wenn es sich um einen guten und vor allem teuren Wein handelt, ging es mit der Politik in diesem Land bergab. Nur die Bayern wissen noch, wonach das biertrinkende Volk verlangt. Angeblich soll Franz Josef Strauß lieber zum Wein gegriffen haben, doch der eigentlich sensible und höchst intelligente Volkstribun wusste natürlich, dass sein Stamm der Bajuwaren den starken Mann will – und der stemmt nun einmal eine Maß. Wenn er bei einer heftigen Attacke gegen den Osten ein Rotweinglas in der Hand gehalten hätte, wäre dies ein wenig komisch herübergekommen. Und selbst sein aus viel weicherem Holz geschnitzter Erbe Edmund Stoiber verzichtet bei einpeitschenden Reden in Bierzelten selten auf Trachtenanzug und Bierkrug, obwohl ihm manche nachsagen, dass er sich lieber von Akten und Kamillentee ernährt. Auch wenn wir oben die Politikwissenschaft durch den Kakao gezogen haben, sollten wir ihre Ratschläge nicht völlig ausblenden. Der Göttinger Hochschullehrer Franz Walter berichtet in seinem schönen neuen Buch, dass ein langjähriger Bundestagsabgeordneter den universitären Politikwissenschaftlern einmal erklärt habe, was man können solle, um in der Politik zu bestehen: „Sie müssen dazu in der Lage sein, Tonnen von Bratwürstchen und etliche Kilo Senf zu vertilgen, dabei einige Hektoliter Bier durch die Kehle zu bringen. Ohne einen guten Magen geht gar nichts.“ Doch wer hält sich heute noch an diese hehren Grundsätze? Sollen sich unsere Unterschichten-Biertrinker oder unsere biertrinkenden Malocher von Politikern vertreten fühlen, die für einen edlen Tropfen mehr ausgeben als ein Hartz-IV-Empfänger im Monat fürs Leben hat? Der britische Wissenschaftsredakteur Tom Standage, der unter anderem für den renommierten Economist arbeitet, hat ein Buch vorgelegt, dass die hier aufgestellten Thesen unterstützt. Es heißt „Sechs Getränke, die die Welt bewegten“ und ist so süffig wie ein frisch gezapftes Pils. Wasser, so lesen wir, war seit dem Auftauchen der Menschheit das Hauptgetränk dieser Spezies. Der Mensch besteht zu zwei Dritteln aus Wasser. Das andere Drittel besteht bei figurbetonten Blondinen bekanntlich aus Salat, bei gestressten und unsolide lebenden Rezensenten meist aus Kaffe, Würstchen, Frikadellen und partiellen Anmutungen von Größenwahn. Doch im Wasser schwamm oft allerlei herum, was in der Volvic- oder Vittel-Flasche heute mit Sicherheit nicht zu finden ist. Glücklicherweise wurde im Gebiet des Fruchtbaren Halbmondes das Bier entdeckt. Das ist ungefähr die Region, die Teile der heutigen Staaten Ägypten, Syrien, Türkei und Irak umfasst. Schon bald stand fest: Brot ist festes Bier, Bier flüssiges Brot. Da Bier mit kochendem Wasser hergestellt wurde, war es gesundheitlich unbedenklicher als Wasser, das leicht durch Fäkalien verunreinigt wurde. Und Bier bot das lebenswichtige Vitamin B, von dem doch eigentlich auch heutige Politiker nicht genug bekommen können. Daher wussten die alten Ägypter schon um 2200 vor Christus: „Der Mund eines vollkommen zufriedenen Mannes ist mit Bier gefüllt“. Dass dies stimmt, wissen wir spätestens seit dem denkwürdigen Werbespot mit Rudi Assauer, der das leckere Veltins aus dem Sauerland der sich verführerisch räkelnden Gattin vorzieht. Bier war das Hauptgetränk der ersten Hochkulturen der Menschheit: „In Mesopotamien betrachteten die Leute also den Genuss von Brot und Bier als etwas, das sie von den Wilden unterschied und sie erst zu Menschen machte.“ „Bier begleitete die Ägypter und Mesopotamier von der Wiege bis zum Grab“, schreibt Standage. Und noch heute sei Bier in vielen Teilen der Welt nach wie vor das „Hauptgetränk des Arbeiters“. Doch insbesondere für diese Bevölkerungsschicht scheint sich der SPD-Vorsitzende Kurt Beck nicht mehr zu interessieren. Er flirtet lieber mit den Liberalen und will die Mittelschichten verstärkt ansprechen. „Damit ist das Ende der Volkspartei SPD unwiderruflich eingeläutet“, meint der Politologe Walter. Wenn wundert’s, dass Herr Beck aus Rheinland-Pfalz stammt, wo das Küssen von Weinköniginnen als Ausweis höchster Regierungskunst gilt. Doch bei seinem Vorgänger Matthias Platzeck war es ja nicht anders. Schon unter seiner Führung zerbröselte die Volkspartei SPD zusehends: „Ausgerechnet in den problembeladenen Regionen Brandenburgs mit hoher Arbeitslosigkeit und geringen Bildungsabschlüssen hatte die Partei des bekennenden Liebhabers schwerer roter Weine gravierende Einbrüche hinnehmen müssen.“ Wobei wir wieder beim Wein sind, der schon früh zum Symbol von Macht, Wohlstand und gesellschaftlichem Rang wurde. Standage verfolgt den Siegeszug des Rebensaftes in Griechenland und Rom. Wein konnten sich über lange Zeit nur die Reichsten leisten: „Das einfache Volk begnügte sich mit Bier“. Wein blieb ein „Privileg der Oberschicht“ und wurde mit Kultur und feiner Lebensart assoziiert. Die südländischen Völker fühlten sich den „Barbaren“ im Norden überlegen. Wohin das auf lange Sicht führt, illustriert ein aktueller Wirtschaftsvergleich. Die biertrinkenden Engländer, Iren oder Skandinavier stehen wirtschaftlich sehr gut da, während Italiener und Griechen weiterhin Wein vorziehen und damit den ökonomischen Niedergang. Und Bayern weist die meisten Brauereien in Deutschland auf. Muss man noch mehr sagen? Die bisherigen Ausführungen zeigen: Biertrinken ist demokratisch und fördert den Wohlstand, Weingenuss dient der sozialen Differenzierung. Diejenige „Volkspartei“, die das als erstes erkennt, wird die Wähler wieder mobilisieren können. Und nach gewonnener Wahl macht man es am besten wie der neue Arbeiterführer Jürgen Rüttgers und trinkt gleich ein Alt, Pils und Kölsch, damit alle Westfalen und Rheinländer zufrieden sind. Und dann kommt noch ein Weizen hinzu, um die neue Waffenbrüderschaft mit Edmund Stoiber zu zelebrieren. Denn Bier wirkt gemeinschaftsstiftend. Skeptisch stimmt einen allerdings ein Bild, das vor kurzem in der Zeitung zu sehen war. Die beiden Fraktionsführer Volker Kauder und Peter Struck sollen sich angeblich bestens verstehen. Zum Beweis der herben Männerfreundschaft stießen sie – so war dem Foto zu entnehmen – mit einem Pils an. Der Wettstreit um die Wähler ist also entbrannt. Die Brauereien werden davon profitieren. Tom Standage: Sechs Getränke, die die Welt bewegten. Artemis & Winkler: Düsseldorf 2006. 270 Seiten, 19,90 Euro.
DRUCKEN| VERSENDEN | RSS-FEED |
SOCIAL WEB
PRESSEFACH
NeueNachricht
Ettighofferstr. 26a
53123 Bonn
zum Pressefach
Anzeige
PRESSEARCHIV
Anzeige
BUSINESS-SERVICES
© novo per motio KG