VOLLTEXTSUCHE
Pressearchiv
Freier Journalist
Pressemitteilung

Demographischer Wandel - Wie Städte und Gemeinden um das Image einer seniorenfreundlichen Kommune wetteifern

(PM) , 17.02.2009 - Seinen siebzigsten Geburtstag verbrachte der englische Schriftsteller William S. Maugham allein. Bei den Jungen sei der alte Mensch unerwünscht, und seine Zeitgenossen finde er langweilig. „Es bleibt ihm nur seine eigene Gesellschaft, und ich empfinde es als besonders günstigen Umstand, dass keine Gesellschaft mich so anhaltend befriedigte wie meine eigene“, hielt Maugham in seinem „Notizbuch eines Schriftstellers“ fest. Ein Vorteil des Alters liege darin, dass man von Neid, Hass und Bosheit befreit werde. „Ich mache mir nichts mehr daraus, was die Leute von mir denken. Sie können machen, was sie wollen“.

Heute leben wir in einer alternden Gesellschaft. Die Ideen Maughams lesen wir vielleicht noch mit Vergnügen, doch ein älterer Mensch hat heute sicher andere Ansprüche als ein „alter“ Mensch, der – wie Maugham - im Jahr 1944 seinen siebzigsten Geburtstag feierte.

„Ein Präsentkorb zum runden Geburtstag ab 75 Jahren und Seniorenveranstaltungen allein werden in Zukunft nicht ausreichen, um einen Wohnort für Menschen in der letzten Lebensphase interessant zu machen", sagt Bürgermeister Torsten Harms, der in dem 4-Generationen-Dorf Wathlingen gemeinsam mit allen im Rat vertretenen Fraktionen einen neuen Weg geht. Mitmachen, mitgestalten und - wenn es erforderlich ist - Hilfe bekommen: Der Generationenpark Wathlingen wird das neue demographische und kulturelle Zentrum der gut 30.000 Einwohner zählenden Region im Süden des Landkreis Celle (Niedersachsen). Idee des Jugend-, Sport- und Generationenparks ist es, die aktiven Senioren genauso anzusprechen wie die Kinder, die Jugend und das Mittelalter.

Alle unter einem Dach

Die Europäische Union unterstützt dieses demographische Projekt mit einem Zuschuss aus Städtebauförderungsmitteln in Höhe von zwei Millionen Euro, bei einer gemeindlichen Investitionssumme von drei Millionen Euro. Davon will die Gemeinde kulturelle Einrichtungen schaffen, die allen Generationen nützen. Neben einem Dorfkino und einem neuen Jugendtreff sollen eine neue Bibliothek und ein Cafe entstehen. Der Landkreis beteiligt sich mit dem Bau einer Mensa (mit einer Million Euro)für das nahe gelegene Schulzentrum, die auch den älteren Bürgerinnen und Bürgern für die Mittagsmahlzeit zur Verfügung steht. Die Stiftung Linerhaus beteiligt sich mit einer Jugendhilfeeinrichtung.

Auf dem rund 60.000 m² großen Grundstück sollen darüber hinaus Wohnungen für ein bis zwei Personenhaushalte errichtet werden. In einer ersten Projektidee stellen sich hier die Planer 77 Bungalows in einem Wohnpark im wahrsten Sinne des Wortes vor. Für die Seniorinnen und Senioren soll eine Tagespflegeeinrichtung und ein ambulanter Pflegedienst für die notwendige Sicherheit sorgen.

„Wir wollen mit dem Projekt das Image der Gemeinde Wathlingen nachhaltig aufwerten und dabei nicht nur isoliert etwas für die Seniorinnen und Senioren tun", erläutert Harms. „Unser Ansatz bezieht alle Menschen ein und dies schon bei der Planung. Die Gruppen sollen sich in dem Planungsprozess einbringen, damit es ihr Zentrum wird, aber auch damit es über die Region hinaus bekannt wird. " Insbesondere die „aktiven Alten" sollen an Schulunterrichtsprojekten teilhaben: „Was in einer Universitätsstadt üblich ist, das Seniorenstudium, sollte an einem Schulstandort wie Wathlingen mit Haupt- und Realschule doch erst recht möglich sein, Ganztagsunterricht bekommt so eine ganz neue Facette."
Die Planungen für das Projekt sind angelaufen und so hofft Wathlingen auf einen Spatenstich Anfang des Jahres 2010, um möglichst bald an die konkrete gesellschaftliche und kulturelle Arbeit gehen zu können.

Insbesondere Ostdeutschland hat eine schnell alternde Bevölkerung. Die Städte Chemnitz und Zwickau sind in Sachsen davon besonders stark betroffen. Allein in Chemnitz stehen nach aktuellen Zahlen 33.000 Wohnungen leer. Die Stadt hat gegenwärtig rund 240.000 Einwohner, vor 1990 waren es mehr als 300.000. Was wird getan, um Senioren, die mehr und mehr an Bedeutung innerhalb der gesamten Stadtpopulation gewinnen, das Leben lebenswert zu gestalten, um sie von der Partizipation am Alltag einer Stadt nicht auszuschließen?

Dazu gehört eine ganze Menge an rechtlich vorgeschriebenen Standards wie der Barrierefreiheit von öffentlichen Gebäuden (Rathaus, Theater, Schwimmbad usw.). „Das war vor 1990 beileibe nicht selbstverständlich. Vieles sind aber keine neuen Themen, sondern solche, die mit der Wiedervereinigung sofort angegangen wurden, sich aber aufgrund des enormen Investitionsstaus und der sich verschärfenden Lage nunmehr potenzieren. Zahlreiche Alten- und Pflegeheime wurden - auf modernstem Standard - neu gebaut oder saniert. Straßenbahn- und Bushaltestellen werden den Bedürfnissen älterer Menschen in großem Stil angepasst (was ja im Einklang steht mit den Anforderungen, die für Behinderte gelten). Altersgerechte Wohneinheiten sind in der Stadt quantitativ und qualitativ verbessert worden (‚betreutes Wohnen’). An der TU Chemnitz gibt es seit vielen Jahren ein sog. Seniorenkolleg, in dem ältere Menschen sich länger geistig fit halten können. Hier werden allgemeinverständlich wissenschaftliche Themen in regelmäßigen Abständen angeboten. Überdies gibt es PC-Kurse speziell für Senioren an der TU“, so Michael Kunze, Referent des CDU-Fraktionsvorstandes in Chemnitz.

Kunze gibt sich skeptischer als Harms: „Was man aber festhalten muss, ist, dass es keinen ‚Masterplan’ für Alte in der Stadt Chemnitz gibt. Der Grund dafür: Wenn alte Menschen die Mehrzahl einer Teilpopulation, z.B. die einer Stadtbevölkerung, ausmachen, werden sie in unserer Gesellschaft des ‚Jugendwahns’ als Hindernis betrachtet, als Menetekel gar. Eine Mehrheit von alten Menschen bedeutet, ob die Realität das bestätigt oder nicht, Standortnachteile: Innovationsverlust, Sparsamkeit (rückläufiges Konsumverhalten), fehlende Kreativität, rückläufige Absatzmärkte im Allgemeinen und sinkendes Arbeitskraftpotential usw.“

Keine Kommune schmücke sich deshalb gern mit der „Generation 60plus", obwohl sie ganz natürlich zu einer jeden Gesellschaft gehöre und „wir dankbar sein sollten, dass immer mehr Menschen immer älter werden - und ihr Alter oft auch lang genießen können.“

Setze man sich „allzu sehr" für Senioren ein, bleibe, bei immer schmaler werdenden finanziellen Spielräumen, für die jungen Leute in der Gesellschaft nicht mehr viel übrig, um die es in Städten wie Chemnitz mehr als andernorts zu werben gelte. „Geld kann allerdings nur einmal ausgegeben werden. Die Balance zwischen den Generationen zu halten, ist für Kommunalpolitiker nicht eben einfach, da die wenigen jungen Menschen in der Stadt gehalten werden sollen. Es ist ein Wettkampf. Die CDU-Fraktion setzt sich freilich für einen Ausgleich zwischen den Generationen ein, will das Aufeinanderprallen von Interessen bei Alt und Jung insofern verhindern.

Im finanziell klammen Wuppertal, das überdies vor großen demographischen Herausforderungen steht, da die Bevölkerung stetig abnimmt, setzt die Vorsitzende des Seniorenbeirats der Stadt, Dorothea Glauner, vor allem auf Bildung. Alter dürfe nicht immer nur mit Themen wie Krankheit, Demenz, Pflege und Tod assoziiert werden. „Dies alles gehört auch zum Alter und Altern des Menschen dazu, ist aber längst nicht alles. Die heutige Generation der über 60-jährigen ist oft noch erstaunlich aktiv und will die eigenen körperlichen und geistigen Kräfte weiterhin nutzen und trainieren“, so Glauner. Daher existiert bereits seit dem Wintersemester 1987/88 an der Universität Wuppertal www.uni-wuppertal.de beispielsweise ein Seniorenstudium. Dass Lebensqualität durch Bildung mit geschaffen wird, ist das Credo von Glauner. Beim Wuppertaler Modell handelt es sich um ein fünfsemestriges (2,5 Jahre dauerndes) Studienangebot für alle sozial- und geisteswissenschaftlich Interessierte. Das Besondere: Es gibt keine Altersgrenze und auch keine schulischen Voraussetzungen. Seit dem Wintersemester 2001/2002 sind Lehrangebote aus dem natur- und ingenieurwissenschaftlichen Bereich hinzugekommen.

Im Wirtschaftsleben jedenfalls hat sich längst die Erkenntnis durchgesetzt, dass man bei der Personalrekrutierung nicht nur nach dem Prinzip des „Jugendwahns“ verfahren darf. „Ältere Arbeitnehmer haben ihre spezifischen Stärken wie Erfahrung, hohe Arbeitsmoral, Qualitätsorientierung, Zuverlässigkeit, Loyalität, Führungsfähigkeit und soziale Kompetenz. Mittelständische Unternehmen, die vielleicht sogar in Familienhand sind, wissen diese Tugenden zu schätzen. Zu Unternehmen, die auf dem Teppich geblieben sind und keine abgehobenen Pläne verfolgen, passen auch nur Arbeitnehmer, die - ob nun 20, 30 oder 50 Jahre alt - ähnlichen Wertvorstellungen verhaftet sind. Angesichts des demographischen Wandels können wir uns massenhafte Frühverrentungen einfach nicht mehr leisten. Sowohl im Wirtschaftsleben als auch in der Gesellschaft dürfen Alt und Jung nicht gegeneinander ausgespielt werden“, mahnt Heiner Nießing, Geschäftsführender Gesellschaft der Nießing Anlagenbau GmbH www.niessing.de im westfälischen Borken.
DRUCKEN| VERSENDEN | RSS-FEED |
SOCIAL WEB
PRESSEFACH
Freier Journalist
Werdstraße 25
53225 Bonn
zum Pressefach
Anzeige
PRESSEARCHIV
Anzeige
BUSINESS-SERVICES
© novo per motio KG