Pressemitteilung, 15.06.2007 - 12:37 Uhr
Perspektive Mittelstand
Blut für Frauenrechte
(PM) , 15.06.2007 - Ein weiblicher Gipfel in Berlin und eine einsame Demonstration der (Ohn-) MachtBonn/Berlin – „Es ist 8.45 Uhr früh. Ich warte vor dem Hotel Intercontinental in Berlin auf die ‚Global Women’s Leadership’, die sich zum Welt-Frauen-Gipfel trifft. Typisch Frau? Direkt nach G-8, wo sowieso keiner mehr das Wort „Gipfel“ hören kann, treffen sich die weltwichtigen Damen ausgerechnet eine Woche später. Gibt es da keinen günstigeren Zeitpunkt? ‚Haha, gebt Acht, die Powerfrauen kommen!’“, schreibt Marie Theres Kroetz-Relin www.marie-theres.com von der Hausfrauenrevolution www.hausfrauenrevolution.com im Online-Magazin NeueNachricht www.neue-nachricht.de. In der Tat, da erscheinen sie. Schnell rolle ich mein Plakat aus, denn ich veranstalte hier nämlich eine Demo. Eigentlich würde ich mir diesen Kongress ganz gerne anschauen, aber 450 Dollar Teilnahmegebühr für zwei Tage kann ich mir nicht leisten. Als Hausfrau gehöre ich eben nicht zur Elite, denn es heißt: „Nehmen Sie Teil an der ersten Versammlung weiblicher Führungskräfte zum Thema ‚Globale ökonomische Chancen für Frauen’ – Werden Sie inspiriert von der Energie, dem Enthusiasmus und dem Fachwissen von Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft und Politik aus aller Welt.“ So steht es in der Broschüre. Ich schüttle den Kopf. Führungsposition in meinem Familienunternehmen habe ich, Fachwissen ebenfalls, Energie wird rund um die Uhr gefordert. Nur der Enthusiasmus fehlt mir mittlerweile! Doch ich lese brav weiter: „Lernen Sie praktische Strategien kennen, um ihre Karriere oder ihr Unternehmen voran zu bringen und tauschen Sie Ihre Erfahrungen über erfolgreiche Lösungen und Strategien mit anderen Frauen und Unternehmerinnen aus. – Seien Sie Teil eines globalen und dynamischen Wirtschaftsnetzwerkes, das den globalen Markt des 21. Jahrhunderts verändern wird. Verpassen Sie nicht diese großartige Gelegenheit in Berlin.“ Ich bin ja da! Allerdings muss Mutti draußen bleiben und rollt derweilen ihr Plakat aus... Fehlende Anerkennung weltweit ist Bedingung für die Ausbeutung, die weibliche Leistung jedweder Art erfährt. Frauenarbeit wird qualitativ als auch quantitativ unterbewertet. Die Arbeit der Frauen, die die Grundlage für die Existenz unserer Gesellschaft darstellt, wird wieder einmal nicht wahrgenommen. Mein überdimensionales Plakat, mit den Worten Petra Höfels, habe ich mit meinem eigenen Blut auf die Leinwand gepinselt. Einmal sinnvoll bluten! Mühevoll versuche ich das Ding im Alleingang zu halten. „Wenn ich nur ein paar Demonstrantinnen dabei hätte!“ seufze ich. „Die Erika aus Niederbayern wäre sicher gekommen. Aber die Erika leidet an Altersarmut, erhält eine Witwenrente von 344,94 Euro im Monat und vom Sozialamt die so genannte „Grundsicherung“ von 307,05 Euro. Die Hälfte von der Kohle geht für die Miete weg. Dabei hat die Gute vier Kinder groß gezogen! Gerade mal 200 Euro für Lebensmittel und was man sonst noch alles zum Leben braucht, bleiben übrig. Ein Wahnsinn! Dabei liegt die offizielle Armutsgrenze bei 856 Euro. „Hallo!“ ruf ich den Ministerinnen zu. „Ich demonstriere! Hallo, ich möchte von euch wahrgenommen werden! Ich bin auch ’ne Frau!“ Ein Polizist kommt auf mich zu. Gespannt warte ich, was passiert. „Nu is aber jut, jute Frau.“, sagt er im fast väterlichen Ton, „Gehen Sie mal wieder Heim...“ – „Womöglich an den Herd!“ fahre ich ihn an. „Sie haben wahrscheinlich das Eva-Prinzip gelesen, oder? Ist das alles was vom Feminismus und der Emanzipation übrig geblieben ist? 1949 hat Simone de Beauvoir „Das andere Geschlecht“ geschrieben. Schon mal was von dieser Lady gehört? On ne nàit pas femme, on le devient!“, werfe ich in perfektem Französisch ein. „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es!“ Der Polizist hat mir mit einem Kopfschütteln längst den Rücken zugekehrt. Aber! Es ist doch wahr. Was für einen Abstieg! Früher wurden die Bücher von Beauvoir diskutiert, heute die von Eva Herman...Beauvoir deckte das System mit all seinen Mythen auf. Ein System, das Frauen daran hinderte, sich ein eigenen Lebensentwurf zu schaffen und diesen auch zu leben. Beauvoir forderte uns explizit zu kollektivem Handeln auf! Heute ergötzen sich die Medien erneut in endlosen Diskussionen, ob „die Frau“ denn nun zurück an den Herd soll... Dabei wäre aus der Apfel-Eva nie ein Erfolg geworden, wenn Alice Schwarzer sie nicht auch noch gepowert hätte! Ich verstehe nicht, warum intelligente Frauen solche faulen Äpfel nicht souverän ignorieren. Schlechte Presse ist gute Presse. So schafft man Bestseller. Was für ein Fauxpas von einer Pionierin des Feminismus. Ich atme tief durch und schaue neugierig zu, wie die erste Delegation das Hotel betritt. „Wen haben wir denn da? Zum Roundtable für Ministerinnen ein Trommelwirbel: Vaira Vike-Freiberga, die parteilose Präsidentin der Republik Lettland. Ab 7. Juli 2007 wird sie von einem Mann abgelöst.Olga Dergunova, der Leiterin des Microsoft-Büros in Moskau.Francoise Gri, Präsident des CEO, IBM, Frankreich ausgezeichnet als „Top 50 Powerful Women in Business“.Sie sehen mich nicht... Cornelia Groehl, Geschäftsführerin Johnson & Johnson Medical, Deutschland, Sungjoo Kim CEO, Sungjoo International and MCM Inc. aus Korea und ausgezeichnet mit „Top 50 Women to Watch“. Ich recke mich, um die Ministerinnen zu erkennen: Ist das nicht Jónína Bjartmarz, die ehemalige Umweltministerin von Island? War nur knapp ein Jahr im Amt. Ist über eine kleinen Skandal gestolpert. Hier kommt Farkhonda Hassan, Vorsitzende des „National Council for Women“ und Parlamentsmitglied in Ägypten. Sie hat die Familiengerichte als „one-stop shop“ konzipiert, damit ’s flotter geht, mit der Scheidung. Ach und da kommt die „Rote Heidi“: Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Die haben wir ja gerade mit dem „44-Milliarden-Programm für Afrika“ im Fernsehen gesehen. „Wer wird Millionär?“ ist aber viel amüsanter und beinhaltet weniger „Augenwischerei“ und „Betrug“ als die Erklärungen der Staats- und Regierungschefs. Und hier kommt sie: Minister for Family, Senior Citizens, Women and Youth, Germany, meine Freundin die Uschi!“ Ich atme auf. „Frau von der Leyen, hallo! Hallo, ich demonstriere!“ Sie hört und sieht mich nicht. „Hätte ich nur die Angela dabei. Nein nicht die Bundes-Merkel, ich meine eine alleinerziehende Mutter von fünf Kindern, ein Kind mit Diabetes Typ 1 erkrankt, die jetzt nicht mal mehr von Hartz IV lebt. Haben sie ihr weggenommen, der Angela. Weil eine erfolgreiche Spendenaktion von irgendeinem widerlichen Weib dem Sozialamt verpfiffen worden ist. Nun lebt sie von den Spenden und erst, wenn diese aufgebraucht sind, gibt’s wieder Hartz IV. Schade, dass sie nicht da ist. Angela hätte ich gerne der Uschi vorgestellt. Damit Uschi mal weiß, wo sich so ein Kinderzuschlag wirklich rentieren würde. Was für eine Sprache: Kinderzuschlag fürs Humankapital! Geil? Nein. Derzeit leben gut 2,1 Millionen minderjährige Kinder in Familien, die Arbeitslosengeld II beziehen. Aber dafür gibt es jetzt die Betreuungsgutscheine. Ziel ist es, dass das Betreuungsgeld nicht bar ausgezahlt, sondern direkt in der Kita, oder bei der Tagesmutter eingelöst wird. Damit es die (unmündigen?) Eltern nicht versaufen? Ja, die Uschi fördert eben nur die unter Dreijährigen. Die „weiblichen Führungsspitzen“ huschen ins Hotel. Mutti (ich) muss draußen bleiben. Vielleicht hat mich ja die eine oder andere beachtet, aber wahrgenommen hat sie mich bestimmt nicht. Wehmütig denke ich an den 26. August 1970: Zum fünfzigsten Jahrestag des Frauenwahlrechts traten Feministinnen in den USA in den Streik. In Paris gingen am Nachmittag neun junge Frauen zum Triumphbogen, legten dort einen großen Blumenkranz nieder und rollten ihre Transparente aus: „Es gibt jemanden, der noch unbekannter ist als der unbekannte Soldat: Seine Frau!“ Die Demonstrantinnen forderten die Frauen zum „Streik der Arbeit- des Haushalts und des Bettes“ auf, verteilten Flugblätter und ermutigten die Passantinnen, sich ihrer Unterdrückung bewusst zu werden und gemeinsam für eine Befreiung zu kämpfen. Das „kleine Kommando im Rock“, wie France Soir das knappe Dutzend bezeichnete, erregte damals Aufmerksamkeit: Drei Mannschaftswagen der Polizei fuhren vor und stellten die Personalien der Demonstrantinnen fest. Es war der erste offizielle Auftritt des „Mouvement pour la libération des femmes“ in Frankreich. „Diese Frauen die heute hier diskutieren, haben Ihre Position dem Feminismus und der Emanzipation zu verdanken!“, brülle ich der sich vor mir schließenden Glastüre hinterher. „Aber ihr Weiber blendet diese Entwicklung aus und vergesst all jene, die die eigentliche Arbeit gemacht haben. Das „Fußvolk“ wird mit Füßen getreten. Das Machtgefüge innerhalb der Frauen ist schlimmer als das der Männerwelt. Frauen betreiben Champignonpolitik: Kaum taucht ein heller Kopf auf, ab damit!“ Müde lasse ich meine Arme sinken. Keiner wird über mich berichten. Das ist sicher. Vielleicht hätte ich nackt und sexy demonstrieren sollen? Dann hätte ich es auch als Hausfrau in die Medien geschafft. „Der Wert der eigentlichen Frauenarbeit ist in der gesamten Geschichte der kapitalistischen Gesellschaft niemals gewürdigt worden. Auch nicht von machtvollen Frauen“, sage ich noch zu mir selbst und rolle mein rotes Körpersaft-Plakat ein.Dabei wollte ich doch nur einmal sinnvoll bluten...