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Fachartikel, 04.07.2007
Arbeitsrecht
Status von Beschäftigten auf Basis von „Ein-Euro-Jobs“
Der arbeitsrechtliche Status von “Ein-Euro-Jobber” wirft nicht für die Arbeitgeber, sondern auch für die Gerichte immer wieder Fragen auf. So gab es in den letzten Jahren eine Reihe von Klagen, in denen „Ein-Euro-Job“-Beschäftigte gerichtlich den Bestand eines Arbeitsverhältnisses feststellen lassen wollten.
Im Rahmen der “Hartz-IV” genannten Gesetzesreform wurde ab dem 1.1.2005 in § 16 Absatz 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch (SGB) II der “1-Euro-Job” geschaffen. Eine ganz neue Erfindung war dies allerdings nicht, denn der Gesetzgeber orientierte sich dabei an dem, in diesem Zusammenhang aufgehobenen, § 19 Absatz 2 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Neben dem öffentlich geförderten Arbeitsvertrag ist somit die Möglichkeit einer Beschäftigung von Arbeitslosen eröffnet, die außerhalb des Arbeitsrechts erfolgt.

Diesen “Wunsch” hat der Gesetzgeber auch ausdrücklich in der neuen Vorschrift geregelt, dort heißt es unter anderem: “... diese Arbeiten begründen kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts...”. Für entsprechend anwendbar hat der Gesetzgeber die Vorschriften über den Arbeitsschutz und das Bundesurlaubsgesetz, mit Ausnahme der Regelungen über das Urlaubsentgelt, erklärt. Für Schäden bei der Ausübung der Tätigkeit haften Beschäftigte nur wie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Die Beschäftigung, für die die Entschädigung für Mehraufwendungen gezahlt wird, ist nach dem Gesetzeswortlaut eine “Gelegenheit für im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten”. Zur Definition dieser unbestimmten Rechtsbegriffe wird auf den § 261 SGB III zurückgegriffen. Dieser definiert, was zusätzlich ist und dem Wohl der Allgemeinheit dient. Beide Voraussetzungen sind im Einzelfall problematisch. „Zusätzliche Arbeiten“ sind alle jene, die sonst nicht, nicht in diesem Umfang oder nicht zu diesem Zeitpunkt verrichtet würden. Aufgaben werden zum Wohl der Allgemeinheit erfüllt, wenn das konkrete Arbeitsergebnis überwiegend nichterwerbswirtschaftlichen Interessen oder den Interessen eines unbegrenzten Personenkreises dient. Verwendet wird auch der Begriff der Gemeinnützigkeit. Sind nicht beide Voraussetzungen gegeben und wird das Beschäftigungsverhältnis trotzdem als Arbeitsgelegenheit behandelt, so bleibt die Frage offen, ob diese Beschäftigung nicht ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Beschäftigten und dem Dritten (Beschäftigungsstelle) begründet.

Die Rechtsprechung beschäftigte in den letzten beiden Jahren bereits einige Fälle, in denen Beschäftigte gerichtlich den Bestand eines Arbeitsverhältnisses feststellen lassen wollten. Auslöser ist meistens ein Weiterbeschäftigungsbegehren als Arbeitnehmer, welches im Rahmen einer Leistungsklage geltend gemacht werden kann. Wenn das Beschäftigungsverhältnis vorsorglich gekündigt wird, kommt es zu Feststellungsklagen, unter Umständen auch zu einer Kündigungsschutzklage. Die genannten Klagen können nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist.

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Die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, reicht unabhängig von der materiellen Rechtslage aus, um die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts zu bejahen.
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Es liegt ein sogenannter “sic-non-Fall” vor, der die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts begründet. Die entsprechenden Tatsachenbehauptungen sind “doppeltrelevant”, sowohl für die rechtliche Zuständigkeit, als auch für die Begründetheit der Klage (Bundesarbeitsgericht, 24.4.1996, 5 AZB 25/95, AP Nummer 1 zu § 2 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) Zuständigkeitsprüfung). Die Zuständigkeit ergibt sich nach dem ArbGG aus § 2 Absatz 1 Ziffer 3 Nummer b.

Eine andere Auffassung vertritt das Landesarbeitsgericht Berlin in einem Beschluss vom 2.12.2005 (8 Ta 1987/05). Es hat den Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin verwiesen. Dies beruht aber darauf, dass das streitige Rechtsverhältnis bereits vor dem 01.01.2005 im Sinne des damaligen § 19 BSHG begründet wurde und somit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit in Angelegenheiten der Sozialhilfe vorlag. Von diesem Komplex zu unterscheiden ist die Frage der Zuständigkeit bei Klagen aus dem Beschäftigungsverhältnis, die den Bestand eines Arbeitsverhältnisses nicht voraussetzen. Diesbezüglich werden grundsätzlich die Sozialgerichte zuständig sein.

Führt nun die Fehlerhaftigkeit der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung zum Entstehen eines Arbeitsverhältnisses?

Das Arbeitsgericht wird hier immer zunächst prüfen, ob zwischen dem Beschäftigten und der Beschäftigungsstelle nicht unabhängig vom SGB II ein Arbeitsvertrag geschlossen worden ist. Dabei wird es in der Regel mangels diesbezüglicher ausdrücklicher Erklärungen auf die Frage des konkludenten Vertragsschlusses ankommen. Wird der Beschäftigte von der Agentur für Arbeit oder einem anderen Leistungsträger einer Beschäftigungsstelle als erwerbsfähiger Hilfebedürftiger zur Aufnahme einer Tätigkeit mit Mehraufwandsentschädigung vermittelt oder zugewiesen, kann er nur davon ausgehen, dass er als “1-Euro-Jobber” und gerade nicht als Arbeitnehmer beschäftigt werden soll. Es empfiehlt sich dem Beschäftigten dies und die sonstigen Beschäftigungsbedingungen nachweisbar schriftlich, zum Beispiel in einem Merkblatt zukommen zu lassen.

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Kommt weder ausdrücklich noch konkludent ein Arbeitsvertrag mit dem Beschäftigten zustande, so begründet alleine die Fehlerhaftigkeit des Rechtsverhältnisses kein Arbeitsverhältnis.
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Das Fehlen der gesetzlichen Voraussetzungen der Arbeitsgelegenheit ersetzt nicht den auf den Abschluss eines Arbeitsvertrags gerichteten Geschäftswillen. Die Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen dem Beschäftigten und der Beschäftigungsstelle ist umstritten. Manche gehen von einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis aus, andere von einem “privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnis eigener Art”. Jedenfalls liegt - wie § 16 Absatz 3 Satz 2 SGB II ausdrücklich bestimmt - bei einem fehlerfreien Rechtsverhältnis kein Arbeitsverhältnis im Sinne des Arbeitsrechts vor. Durch Fehlerhaftigkeit wird aus einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis oder auch einem privatrechtlichen Rechtsverhältnis eigener Art aber noch kein Arbeitsvertrag. Vielmehr ist beispielsweise bei Annahme eines öffentlich-rechtlichen Verhältnisses die Behebung des Fehlers innerhalb des Rahmens vorzunehmen, den das öffentliche Recht bereithält. Denkbar ist beispielsweise ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit oder den sonstig zuweisenden Leistungsträger.

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Die Rechtssprechung schließt nicht aus, dass bei bewusster Zuweisung von Arbeiten, denen das Merkmal der Zusätzlichkeit oder des öffentlichen Interesses fehlt, ein Arbeitsvertragsschluss angenommen werden könnte.
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In solchen Fällen wird jedoch darauf verwiesen, dass insbesondere das Merkmal der Zusätzlichkeit seinem Inhalt nach umstritten und die Feststellung der Voraussetzungen im Einzelfall schwierig ist. Die Frage, ob bei fehlender Zusätzlichkeit ein Angebot zum Abschluss eines Arbeitsvertrages angenommen werden könnte, hat das Arbeitsgericht Weiden (Urteil vom 29.9.2005, 5 Ca S 463/05) ausdrücklich offen gelassen.

Zusammenfassung

Will sich ein “1-Euro-Jobber” ins Arbeitsverhältnis “hineinklagen”, so ist hierfür die Arbeitsgerichtsbarkeit zuständig. Alleine aus der Fehlerhaftigkeit der Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung, wenn diese nicht die Voraussetzungen des § 16 Absatz 3 Satz 2 SGB II erfüllt, ergibt sich kein Arbeitsverhältnis. In der Rechtsprechung wird nicht ausgeschlossen, dass es im Falle bewusster Missachtung der Voraussetzungen zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses kommen kann.

Stand: 22.01.2007

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