Pressemitteilung, 23.01.2008 - 09:14 Uhr
Perspektive Mittelstand
Arbeitsrecht / Geschäftsführer: Mündlicher GV-Vertrag lässt vorherige Arbeitnehmereigenschaft nicht entfallen
(PM) , 23.01.2008 - Das LAG Niedersachsen hat in einer jüngst veröffentlichten Entscheidung festgestellt, dass das Schriftformerfordernis des § 623 BGB einer konkludenten Aufhebung des Arbeitsvertrags durch einen lediglich mündlich abgeschlossenen Geschäftsführeranstellungsvertrag entgegensteht. Nach Ansicht der Kammer beinhaltet die Norm neben dem Rechtsklarheitsgedanken auch eine Warnfunktion hinsichtlich des Verlustes der Arbeitnehmerstellung. Das LAG führt im Einzelnen aus: Hat vor der Bestellung zum Organvertreter zwischen den Parteien - wie im Streitfall - ein Arbeitsverhältnis bestanden, geht die neuere Rechtsprechung des BAG davon aus, dass - bei Fehlen einer anderweitigen Vereinbarung - das bisherige Arbeitsverhältnis mit dem Abschluss des Anstellungsvertrages (als Organvertreter) endet und ein vertragliches Verhältnis begründet wird, für das der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht gegeben ist. Das BAG nimmt an, dass in dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags durch einen angestellten Mitarbeiter im Zweifel die konkludente Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses liegt. Nicht entscheidend sei, ob der Arbeitnehmer den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag mit einer anderen Gesellschaft oder unmittelbar mit seinem Arbeitgeber abschließe. Nach dem Willen der vertragsschließenden Parteien solle regelmäßig daneben nicht noch ein Arbeitsverhältnis ruhend fortbestehen. Dem Arbeitnehmer müsse im Regelfall klar sein, dass er, wenn anderes nicht vereinbart werde, mit dem Abschluss seines Geschäftsführer-Dienstvertrags seinen Status als Arbeitnehmer aufgebe. Die vertraglichen Beziehungen würden auf eine neue Grundlage gestellt, die bisherige Grundlage verliere ihre Bedeutung. Im Zweifel wird daher nach der Rechtsprechung des BAG ein bestehendes Arbeitsverhältnis mit dem Abschluss eines Geschäftsführer-Dienstvertrags konkludent aufgehoben. Dies gilt nach Auffassung der Kammer jedenfalls bis zum Inkrafttreten des § 623 BGB. Allerdings wird diese Rechtsprechung in dieser Form nicht aufrechterhalten werden können, denn nach § 623 BGB ist ein konkludenter Aufhebungsvertrag nicht möglich. Ob die ab dem 01.05.2000 geltende Formvorschrift des § 623 BGB eine ausdrückliche schriftliche Aufhebung des Arbeitsvertrages bei Abschluss des Geschäftsführer-Dienstvertrags erfordert, hat das BAG in der Entscheidung vom 14.06.2006 (5 AZR 592/05) dahinstehen lassen, denn in dem vom BAG zu entscheidenden Fall hatten die Parteien den Geschäftsführer-Anstellungsvertrag bereits im Jahre 1986 abgeschlossen. In der arbeitsrechtlichen Kommentarliteratur wird insofern die Auffassung vertreten, dass das Schriftformerfordernis des § 623 BGB gewahrt sein muss.Im vorliegenden Fall ist der Anstellungsvertrag vom 02.10.1998 nicht aufgehoben worden. Der Anstellungsvertrag ist weder ausdrücklich schriftlich aufgehoben, noch der Geschäftsführervertrag schriftlich abgeschlossen worden. Durch die Bestellung zum Geschäftsführer und den mündlich erfolgten Abschluss des Geschäftsführervertrags kann aber wegen der Formvorschrift des § 623 BGB auch nicht von einer konkludenten Aufhebung des Anstellungsvertrags ausgegangen werden. Die Formvorschrift des § 623 BGB ist auch für den vorliegenden Fall einschlägig; es bedarf insbesondere keiner teleologischen Reduktion der Norm für entsprechende Fallgestaltungen. § 623 BGB beinhaltet neben dem Rechtsklarheitsgedanken auch eine Warnfunktion hinsichtlich des Verlustes der Arbeitnehmerstellung. Es handelt sich in Fällen der vorliegenden Art auch nicht lediglich um eine Änderung des Arbeitsvertrags, bei dem § 623 BGB nicht greift, weil diese formfrei möglich ist. Der unmittelbare Organvertreter gilt aufgrund seiner förmlichen Position entweder nicht als Arbeitnehmer oder fällt nicht mehr unter den Schutz von bestimmten Gesetzen. Er verliert damit wesentliche Arbeitnehmerrechte, unbeschadet der Tatsache, dass er u.U. Arbeitnehmer bleibt. Gerade vor dem inhaltlichen Verlust der Arbeitnehmerstellung will aber die Formvorschrift des § 623 BGB (auch) schützen. Insofern bedarf es auch hier der Beweis- und Rechtssicherheitsfunktion des § 623 BGB. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Berufung auf das Schriftformerfordernis des § 623 BGB auch nicht treuwidrig. Die Berufung auf den Mangel der gesetzlichen Schriftform kann zwar ausnahmsweise gegen Treu und Glauben verstoßen. Grundsätzlich ist die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Form jedoch zu beachten. Wenn die Formvorschriften des bürgerlichen Rechts nicht ausgehöhlt werden sollen, kann ein Formmangel nur ausnahmsweise nach § 242 BGB als unbeachtlich angesehen werden. Das kann unter dem Gesichtspunkt des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (venire contra factum proprium) dann der Fall sein, wenn der Erklärungsgegner einen besonderen Grund hatte, auf die Gültigkeit der Erklärung trotz des Formmangels zu vertrauen und der Erklärende sich mit der Berufung auf den Formmangel zu eigenem vorhergehenden Verhalten in Widerspruch setzt. So etwa, wenn der Arbeitnehmer seiner Beendigungsabsicht mit ganz besonderer Verbindlichkeit und Endgültigkeit mehrfach Ausdruck verliehen und damit einen besonderen Vertrauenstatbestand geschaffen hatte (BAG ebd.). Ein solcher Fall liegt im Streitfall, in dem höchstens von einer konkludenten Aufhebung des bisherigen Arbeitsverhältnisses nach der neueren Rechtsprechung des BAG ausgegangen werden könnte, ersichtlich nicht vor. Die Beklagte hatte auch keinen besonderen Grund, nach Einführung des Schriftformerfordernisses des § 623 BGB - und der seither in der Literatur diskutierten Problematik des Schriftformerfordernisses - auf die Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses, obwohl noch nicht einmal ein schriftlicher Geschäftsführer-Anstellungsvertrag geschlossen wurde, trotz des Formmangels zu vertrauen. (Quelle: LAG Niedersachsen, 17-Ta-618/06, Beschluss vom 05.03.2007; Verfahrensgang: ArbG Braunschweig 3 Ca 364/06, Lexinform)Mitgeteilt von: rechtsanwalts-TEAM.de Warm & Kanzlsperger in Paderborn, Rechtsanwalt Martin J. Warm, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Steuerrecht, Anwalt für Mittelstand und Wirtschaft www.rechtsanwalt-in-paderborn.de ; www.rechtsanwalts-TEAM.de