Pressemitteilung, 12.06.2006 - 14:54 Uhr
Perspektive Mittelstand
Alte und neue Kreislaufschwächen des Grünen Punktes: Müllkonzern ein unverkäufliches Muster?
(PM) , 12.06.2006 - Düsseldorf/Köln, www.ne-na.de - In vielen Städten und Gemeinden lassen mittlerweile die Abfuhrunternehmen den Verpackungsmüll stehen. Grund: Zur Gartensaison landen angeblich zu viele Plastiktöpfe von den Gärtnereien in den Gelben Tonnen und Säcken, die nicht mit dem kostenpflichtigen Grünen Punkt gekennzeichnet seien. Das berichtet das Handelsblatt. „Dass die Jagd nach Trittbrettfahrern erstmals in Deutschland bei Verbrauchern nennenswerte Kollateralschäden hinterlässt, hat einen triftigen Grund: Der Lizenzgeber des Grünen Punkts, das Duale System Deutschland (DSD), soll meistbietend verkauft werden. Marktpflege wird damit für den Eigentümer, die US-Beteiligungsgesellschaft KKR, zum Gebot der Stunde. Womöglich sogar mehr als das. Denn derzeit laufen der Kölner Verpackungsmüllfirma die Kunden in Scharen davon. Jüngstes Beispiel: die Edeka Minden-Hannover. Der mit 5,7 Milliarden Euro Umsatz größte Edeka-Händler fordert seine Lieferanten auf, einen Teil ihrer Verpackungen beim DSD abzumelden. Stattdessen sollen sie Entsorgungsverträge mit BellandVision abschließen“, so das Handelsblatt. Für rund ein Viertel aller Verpackungen zahle die Konsumgüterindustrie keinen einzigen Cent für die Entsorgung. „Dass heute nur noch 58 Prozent aller Verkaufsverpackungen über den Grünen Punkt entsorgt werden, hat in der DSD-Bilanz tiefe Spuren hinterlassen. Seit 2002 sackte der Umsatz von 1,9 Milliarden auf gerade einmal noch 1,2 Milliarden Euro. Gelingt es dem DSD nicht, den Niedergang zu stoppen, sagen Experten dem einstigen Goldesel bis Ende des Jahres den Zusammenbruch voraus. Alle Hoffnungen der Kölner Müllfirma lasten deshalb auf einer möglichen Novelle der Verpackungsverordnung. Sie soll nach dem Willen der Landesumweltminister im Herbst ins Gesetzgebungsverfahren geschickt werden, um Trittbrettfahrer abzuschütteln. Für das DSD könnte der Schuss aber auch nach hinten losgehen. Hessens Landesregierung etwa möchte die Abfallwirtschaft wieder den Kommunen übertragen. KKR müsste dann wohl noch deutlich länger auf einen Käufer warten“, so die Analyse des Handelsblattes. Abfallexperten halten es für falsch, über eine Änderung der Rechtsverordnung dem DSD höhere Lizenzeinnahmen zu sichern, damit ein amerikanischer Investor seine horrenden Renditen erwirtschaften könne, um die Interessen der Anteileigner zu befriedigen. Der Müllmonopolist hätte 16 Jahre Zeit gehabt, ein effizientes Abfallsystem aufzubauen. Bis heute leide der Grüne Punkt-Konzern an den Kinderkrankheiten, die schon beim Start des Sammelsystems auftraten. Glas und Papier wurde lange vor der Gründung des DSD schon gesammelt – ohne Negativschlagzeilen. Und auch für Metallverpackungen sei eine Mülltrennung technisch nicht mehr erforderlich. Bleiben die Kunststoffverpackungen, die sich nur schwer stofflich verwerten lassen und rund die Hälfte der Entsorgungskosten des Grünen Punktes verursachen, obwohl ihr Mengenanteil bei der Sammlung nur bei 10 Prozent liegen soll. Nach einer Studie von Plastics Europe werden über die kommunale Müllentsorgung fast genauso viele Kunststoffabfälle gesammelt wie über das Grüne Punkt-Müllsystem. „Von diesem Faktum nimmt in Deutschland kaum jemand Notiz“, kritisierte Gottfried Jung vom rheinland-pfälzischen Umweltministerium beim Kasseler Abfallforum. In der Recyclingbilanz des DSD, die jährlich vorgelegt werde, werden zwar auch die Plastikabfälle dokumentiert, „aber ob es sich bei den Stoffen, deren Entsorgung bilanziert wird, tatsächlich um im Gelben Sack eingesammelte Verpackungen handelt oder um stoffgleiche Abfälle, ist nur schwer nachzuvollziehen“, monierte Jung. „Über viele Jahre hinweg war es möglich, dass fast genauso viele Kunststoffabfälle aus privaten Haushalten beseitigt wurden, wie über den Gelben Sack getrennt eingesammelt worden sind. Die Beseitigung erfolgte überwiegend auf Deponien“, sagte Jung. Ein Teil des Inhalts des Gelben Sacks wandere als Sortierrest in die Verbrennung. Ökologisch stelle sich daher die Frage nach dem Sinn der Mülltrennung. Seitdem allerdings der Müll nicht mehr ohne Vorbehandlung deponiert werden darf und die Müllverbrennungsanlagen in Deutschland kaum noch Kapazitätsreserven aufweisen, ergeben sich für die Müllsammler des Grünen Punktes wohl Probleme, die Sortierreste loszukriegen. So teilte das Landratsamt Waldshut mit, dass die Behörde den Druck auf die Firma RAG, auf deren Areal in Murg große Mengen Sortierreste aus der Sortierung der Verpackungsabfälle aus den Gelben Säcken gelagert werden, aber auch auf die Firma DSD (Grüner Punkt) verstärkt. „Auch wenn es bundesweit große Engpässe bei der Entsorgung von Sortierresten gibt, darf dies nicht auf dem Rücken der Menschen in der Nachbarschaft des Murger Betriebes ausgetragen werden“, so der Erste Landesbeamte Tilman Bollacher. Nachdem die Bemühungen der Gemeinde Murg und des Landratsamtes Waldshut Ende letzten Jahres, das Lager kontinuierlich abzubauen, nicht gefruchtet haben, hat das Landratsamt Waldshut mit Sofortvollzug verfügt, dass das ohne Genehmigung betriebene Lager stillzulegen ist und die Reststoffe zu entfernen sind. Neben der RAG sieht das Landratsamt Waldshut auch das DSD in der Pflicht. Beim Stichwort illegale Lager mit Grüne Punkt-Abfällen fallen einem sofort entsprechende Schlagzeilen aus den 90er Jahren ein. Auch hier entstehen anscheinend wieder die altbekannten Kreislaufschwächen.