Pressemitteilung, 06.03.2007 - 10:06 Uhr
Perspektive Mittelstand
Finanzgericht Niedersachsen hält Änderung der Pendlerpauschale für verfassungswidrig
(PM) , 06.03.2007 - Bund der Steuerzahler fordert Gesetzgeber auf alte Rechtslage wieder herzustellenEUROPATICKER Umweltruf (www.europaticker.de): Das Niedersächsische Finanzgericht (NFG) hält die Neuregelung zur Entfernungspauschale (sog. Pendlerpauschale) im Einkommensteuerrecht für verfassungswidrig. Es hat deshalb mit Beschluss vom 27. Februar. 2007 - Az. 8 K 549/06 - ein anhängiges Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG - ausgesetzt und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) angerufen. Zum Hintergrund: Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind seit dem 01.01.2007 nicht mehr als Werbungskosten/Betriebsausgaben abzugsfähig (sog. "Werkstorprinzip"). Aufgrund einer Härtefallregelung sind entsprechende Kosten pauschal mit 0,30 EUR lediglich noch ab dem 21. Entfernungskilometer "wie" Werbungskosten/ Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Im Streitfall erzielten die Kläger (Ehegatten) Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Für ihre Aufwendungen für Fahrten zur Arbeitsstätte - vom gemeinsamen Wohnort 41 km (Ehemann) bzw. 54 km (Ehefrau) entfernt - beantragen sie jeweils die Eintragung eines Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte für das Jahr 2007 unter Berücksichtigung der vollständigen Entfernung. Das beklagte Finanzamt gewährte den Freibetrag in Anwendung der Neuregelung in § 9 Abs. 2 EStG jedoch lediglich unter Berücksichtigung der Fahrten ab dem 21. Entfernungskilometer. Nach Auffassung des NFG ist die Regelung in § 9 Abs. 2 EStG verfassungswidrig. Die durch das Steueränderungsgesetz 2007 (Gesetz v. 19.07.2006, BGBl I 2007, 1652) mit Wirkung ab 01.01.2007 vorgenommene Neuregelung verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser werde - so der 8. Senat des NFG - im Steuerrecht konkretisiert durch das Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit. Aus dem Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit folge, dass in subjektiver und objektiver Hinsicht nur das Nettoeinkommen besteuert werden dürfe (subjektives und objektives Nettoprinzip). Mit der Streichung des Werbungskostenabzugs für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verstoße der Gesetzgeber sowohl gegen das subjektive als auch gegen das objektive Nettoprinzip: Die Verletzung des subjektiven Nettoprinzips folge daraus, dass in bestimmten Fällen das verfassungsrechtlich geschützte Existenzminimum besteuert werde. Dabei handele es sich um diejenigen Fälle, in denen bei Ansatz der Aufwendungen als Werbungskosten keine Einkommensteuer anfallen würde, weil das zu versteuernde Einkommen unter den Grundfreibetrag sinke, im umgekehrten Fall, d.h. bei fehlender Abzugsfähigkeit der Kosten, aber Steuer zu entrichten wäre. Ein Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip liege vor, weil der Gesetzgeber Kosten, die für eine Vielzahl von Steuerpflichtigen zwangsläufig seien, um Arbeitseinkommen erzielen zu können, nicht mehr zum Abzug zulasse. Die in der Gesetzbegründung angeführte Konsolidierung der öffentlichen Haushalte sei kein sachlich ausreichender Grund für die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips. Bund der Steuerzahler fordert Gesetzgeber auf alte Rechtslage wieder herzustellen Durch den Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Niedersachsen an das Bundesverfassungsgericht vom 27. Februar 2007 zur Pendlerpauschale sieht sich der Bund der Steuerzahler in seiner Auffassung bestätigt, wonach die seit Jahresbeginn geltende Kürzung der Pendlerpauschale gegen das Grundgesetz verstößt. Er fordert daher den Gesetzgeber auf, umgehend die verfassungswidrige Kürzung der Pendlerpauschale zurückzunehmen und die alte Rechtslage wieder herzustellen. Das Finanzgericht Niedersachsen macht in der Begründung seines Vorlagebeschlusses deutlich, dass die Kürzung der Aufwendung für Fahrtkosten gegen das im Einkommensteuerrecht geltende Prinzip der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit verstößt. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung der Steuergesetze zwar einen weiten Entscheidungsspielraum, diesen habe er aber mit der Einführung des Werkstorprinzips und der damit verbundenen Kürzung der Pendlerpauschale überschritten. Bei den Aufwendungen für Fahrten zum Arbeitsplatz handelt es sich nicht um freie, sondern um zwangsläufige Aufwendungen. Es sei nicht anzunehmen, dass alle Arbeitnehmer am Wohnort Beschäftigung finden. Besteuert werden dürfe aber lediglich das Einkommen, das nach Abzug der beruflichen Aufwendungen verbleibt. Der Fahrtkostenaufwand müsse sich daher bei der Besteuerung mindernd auswirken. Auch wenn letztendlich erst das Bundesverfassungsgericht abschließend über die Frage der Verfassungswidrigkeit der Kürzung der Pendlerpauschale entscheiden kann, sollte der Gesetzgeber die Steuerzahler nicht mehr so lange im Ungewissen lassen und den Vorlagebeschluss des Finanzgerichts Niedersachsen zum Anlass nehmen, um die steuersystematisch unsinnige Kürzung der Pendlerpauschale zurückzunehmen. Ein Aktenzeichen des BVerfG liegt z.Zt. noch nicht vor.