Kolumne
Textmarker, 06.04.2009
Perspektive Mittelstand
Abwrack-Werbung
Mit sinkenden Schiffen zu neuen Umsätzen
Man möchte den Mitgliedern der Jury für das Unwort des Jahres ja nicht vorgreifen, aber ein Wort prädestiniert sich schon jetzt dafür, Unwort des Jahres 2009 zu werden. Nach „Herdprämie“ (Unwort 2007) und „notleidende Banken“ (Unwort 2008) hat das Wort „Abwrackprämie“ dafür schon jetzt, obschon das Jahr gerade erst vier Monate alt ist, beste Aussichten.
Abwracken ist in aller Munde! Das hat auch die werbungtreibende Wirtschaft erkannt und ist rasch auf diesen Zug, pardon, dieses sinkende Schiff gesprungen. Von der Bedeutung stammt „Abwracken“ nämlich aus der maritimen Sprachgebrauch.

Doch statt Schiffe zum Abwracken ins ferne Indien und Bangladesh zu schicken, werden jetzt allen Ortens DVD-Player in Elektromärkten abgewrackt, Webseiten der digitalen Verschrottung preisgegeben und Altmöbel der Säge übereignet. Die Abwrackprämie macht es möglich, die unmöglichsten Dinge unter diesen scheinbar so absatzfördernden Wortschirm zu stellen.

Dentallabore bieten bereits Abwrackprämien für die dritten Zähne. Küchenstudios locken mit Abwrackprämien für in die Jahre gekommene Küchen (Na, hast du deine alte auch schon abgewrackt?). Und wer sich ein komplettes Bild über den sprachlichen Durchdringungsgrad der Abwrackprämie in der Werbung machen möchte, der braucht im Internet nur nach „Abwrackprämie + irgendeinen Begriff“ zu googeln, und er wird aus dem Staunen nicht herauskommen.

Was lernt man daraus? Wenn Regierung und Medien ein Wort millionenfach in die Verbraucherköpfe treiben, können Unternehmen eine Menge Werbegeld sparen. Man lässt einfach den Behaviorismus, die klassische Konditionierung, wirken: So stellte der Wissenschaftler Iwan Pawlow einst fest, dass Hunden beim Anblick von Schinken das Wasser im Munde zusammenläuft. Einen ähnlichen Schlüsselreiz dürfte jetzt auch die Abwrackprämie ausüben: Einfach das Wort „Abwrackprämie“ über die Anzeigen schreiben, schon zückt der Kunde sein Portmonee. Schön wär’s. Oder ist es doch nicht ganz so einfach? Dann wäre noch ein bisschen Hoffung auf mehr Intelligenz in der Werbung.

ZUM KOLUMNIST
Über Detlef Krause
Detlef Krause hat sein Texthandwerk in großen Frankfurter und Hamburger Werbeagenturen erlernt. Dort betreute er als Werbetexter, Konzeptioner und Creative Supervisor namhafte Marken – von Autos über Technik und Kosmetik bis zu Food, Pharma und ...
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